Mittelamerika

Wenn persönliches Engagement das Leben kostet

Laut aktuellem Global Witness Report ereigneten sich fast 88 Prozent aller Morde an Umweltaktivist*innen weltweit in Lateinamerika. Gerade in Mittelamerika ist die Repression enorm. Ein Überblick.

Text: Kathrin Zeiske.

Versammlung in Guapinol, Honduras 2023. Foto: CIR.

In den letzten zehn Jahren wurden dem Global Witness Report zufolge 1.910 Umweltaktivist*innen ermordet. Die meisten Übergriffe bleiben ungestraft. Die Mordzahlen sind 2021 und 2022 nur leicht zurückgegangen und richten sich in jedem dritten Fall gegen Angehörige indigener Gemeinschaften, die klimarelevante Ökosysteme verteidigen. Honduras steht nach Kolumbien, Mexiko und Peru auf Platz 4 der Länder mit den meisten getöteten Umweltschützer*innen auf der Welt. Hier wurde erst Ende September ein Anschlag auf Miriam Miranda, Menschenrechtsverteidigerin der Garifuna und Koordinatorin von OFRANEH, vereitelt. Neben Berta Cáceres, die 2016 umgebracht wurde, ist Miranda die wohl bekannteste indigene Umweltschützerin des Landes.

Verschwindenlassen und Ermordungen in Honduras

Mit dem Putsch 2009, der den linksliberalen Präsidenten Mel Zelaya stürzte, versank Honduras in einem Narco-Regime. In der Folge wurden demokratische Institutionen ausgehöhlt, natürliche Ressourcen auf dem Weltmarkt feilgeboten und hunderte Megaprojekte erhielten Konzessionen. Honduras wurde zum gefährlichsten Land für Umweltaktivist*innen.

Die Garifuna-Gemeinden an der Karibikküste sind vom Landraub für Tourismusprojekte, von Drogenumschlagplätzen, Palmölplantagen und den Privatstädten ZEDEs (autonome Sonderwirtschaftszonen) besonders betroffen. Aktivist*innen stehen im Fadenkreuz von Repression und Verfolgung durch Angehörige der organisierten Kriminalität, die im Interesse von Großunternehmen und internationalen Geldgeber*innen handeln. Vier Garifuna-Aktivisten, die 2020 mutmaßlich von Polizisten verschleppt wurden, sind bis heute verschwunden. Dieses Jahr wurden zwei weitere Aktivisten ermordet.

Auch in Bajo Aguan, einer bodenschatz- und wasserreichen Region in Nordhonduras, wehren sich Subsistenzlandwirt*innen und indigene Gemeinden gegen Vertreibungen, Kriminalisierung und Übergriffe. Im Januar wurden zwei Verteidiger des Guapinol-Flusses ermordet, im Juni ein Familienangehöriger. Die Gemeinde Guapinol kämpft seit Jahren gegen eine in einem Naturschutzgebiet operierende Eisenmine, die den Fluss verseucht. Die 2022 neu gewählte Regierung unter Xiomara Castro hat bisher keine grundlegenden Schritte unternommen, um Umweltaktivist*innen zu schützen und die Macht der Unternehmerfamilien, die Land und Reichtum in Honduras innehaben, einzudämmen.

Indigene in Guatemala besonders betroffen

Im Nachbarland Guatemala hat der im August zum Präsidenten gewählte Bernardo Arévalo große Hoffnung auf positive Veränderungen in der indigenen Mehrheitsbevölkerung geweckt. Mit der neugegründeten Partei Movimiento Semilla will der Mitte-Links-Politiker gegen Korruption vorgehen. Doch die militärisch-wirtschaftlichen Eliten Guatemalas versuchen, den politischen Umschwung zu verhindern. Erst im Oktober kam es deswegen zu einem Generalstreik. Die Proteste der Bevölkerung gegen die Korruption brachten das Land zum Stillstand.

Indigene Aktivist*innen wurden in Guatemala in den letzten 15 Jahren mit Kriminalisierung und drakonischen Gefängnisstrafen überzogen, wenn sie ihre Territorien verteidigten. Maya-Gemeinden werden gespalten und soziale Gefüge zerstört, um Ressourcen ungehindert abzubauen. Unzählige indigene Referenden gegen offenen Tagebau, der mit hochgiftigen Chemikalien das Wasser verseucht und den Grundwasserspiegel dramatisch senkt, wurden nicht anerkannt.

Während in Guatemala ein progressiver Umschwung bevorsteht, geht El Salvador immer autokratischeren Verhältnissen entgegen. Präsident Nayib Bukele hat in nur vier Amtsjahren das Land militarisiert, demokratische Institutionen ausgehöhlt und Wahlprozesse zugunsten seiner Wiederwahl nächstes Jahr verändert. Seit eineinhalb Jahren hält er dafür einen Ausnahmezustand aufrecht und hat über 70.000 Menschen ins Gefängnis geworfen.

Hetze und willkürliche Verhaftungen in El Salvador

„Bukele finanziert hunderte falscher Facebookseiten, die Hass, Verleumdung und Drohungen verbreiten“, erzählt Umweltjournalist Alfredo Carías. Viele Aktivist*innen und Journalist*innen hätten deswegen schon ins Exil gehen müssen. „Auch ich habe mich aus Diskussionen in den sozialen Medien total herausgezogen, um nicht ins Visier zu geraten.“ Denn es bleibt nicht bei der Hetze im Netz. Im Januar wurden fünf renommierte Umweltaktivisten und ehemalige Guerrilla-Angehörige aufgrund angeblicher Bandenaktivitäten und eines Mordes im drei Jahrzehnte zurückliegenden Bürgerkrieg ins Gefängnis geworfen (wir berichteten in der presente 2-2023). „Die fünf politischen Gefangenen haben acht Monate in Isolationshaft verbracht“, so Carías. Ihre Verhaftung sei ein abgekartetes Spiel gewesen. Sie waren federführend in der Bewegung, die 2017 einen Bergbaustopp erreichen konnte.

„El Salvador ist das einzige Land auf der Welt, in dem Tagebau gesetzlich verboten ist“, erklärt der Umweltreporter stolz. Nun aber deute alles darauf hin, dass Bukele das Bergbauverbot zurücknehmen will. „In den Gebieten Chalatenango und Cabañas, wo die meisten Minenprojekte angesiedelt waren, wurde Militär und Polizei stationiert.“ Carias fürchtet, dass Bukele nach einer gesicherten Wiederwahl 2024 neben anderen unpopulären Projekten, die er plant, auch das Wasser privatisieren wird. Dies könnte angesichts der zunehmenden Dürre in El Salvador aufgrund der Klimakrise fatale Folgen haben. Die zunehmende Repression im Land wird es Umweltaktivist*innen nicht leichter machen, gegen solche Pläne ihre Stimme zu erheben.