„Die meisten Kirchenvertreter*innen halten mich für einen Spinner.“

Jörg Alt beteiligt sich an Aktionen der Letzten Generation

„Dieser Weg ist für mich alternativlos“

Jesuit, Priester, Sozialethiker, Klima-Kleber: Jörg Alt aus Nürnberg unterstützt aktiv die Aktionen der Gruppe „Letzte Generation“. Um auf die Dringlichkeit politischen Handelns angesichts der Klimakrise aufmerksam zu machen, beteiligt er sich an Straßenblockaden und bricht bewusst Gesetze. Wir haben mit ihm über die Rolle und Wirksamkeit von zivilem Ungehorsam und die Kriminalisierung von Aktivist*innen gesprochen. 

Jesuitenpater Jörg Alt aus Nürnberg bei einer Aktion der „Letzten Generation“. (Foto: Florian Henig)

Sie setzen sich schon lange für Klimaschutz und -gerechtigkeit ein. Wie wurden Sie zum Klimaaktivist? 

Die Themen Klimaschutz und Grenzen des ökonomischen Wachstums waren in meiner Arbeit immer präsent. Aber bei all meiner Einsicht in die Notwendigkeit, die Schöpfung zu schützen, war mir bis 2019 die Dringlichkeit des Anliegens nicht so deutlich. Durch den Austausch mit den Aktivist*innen von Fridays for Future habe ich gelernt, was Kipppunkte sind. Und dass uns die Zeit davonläuft, wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen. Also habe ich zunächst eher klassischen Klimaprotest gemacht, in Form von Demonstrationen, Podien, Diskussionen.

Wie kam es dann zur Unterstützung der Protestaktionen der Letzten Generation? Ein Jesuitenpater, der sich auf der Straße festklebt – das überrascht viele.  

Ja, vom Jesuit und Priester zum Straftäter zu werden, ist keine normale Karriere. Wenn man mir vor 15 Monaten gesagt hätte, dass ich mal so enden würde, hätte ich gelacht. Das war ein Lernprozess. Während des Hungerstreiks der Letzten Generation vor der Bundestagswahl 2021 habe ich der Gruppe meine Unterstützung angeboten. Als mir klar wurde, dass der Aktivist Henning Jeschke entschlossen ist, für sein Anliegen zu sterben, ist mir das sehr unter die Haut gegangen. Ich habe mich an einer Aktion gegen Lebensmittelüberproduktion und -vernichtung beteiligt – das Thema ist Papst Franziskus seit Jahren ein wichtiges Anliegen. Im Prinzip macht die Letzte Generation dasselbe, was auch wir Jesuiten machen sollten. Allerdings mit viel mehr Entschiedenheit, mit der Bereitschaft für persönliches Risiko. Und ich finde es komisch, selbst nur darüber zu predigen und Segen zu spenden. Dass ich zusammen mit der Letzten Generation protestiere, ist eine konsequente Weiterentwicklung von dem, wofür ich als Jesuit seit Jahrzehnten eintrete.

Wie reagieren Ihre Mitbrüder auf Ihr Engagement? 

Als ich meine Mitbrüder im Globalen Süden zur Sinnhaftigkeit von Straßenblockaden im Kampf gegen die Klimakrise befragt habe, waren sie begeistert: Das ist genau das, was der Klimawandel dort jeden Tag macht – den normalen Alltag unterbrechen. Und wenn solche Aktionen im Globalen Norden vermitteln, wie sich der Klimawandel in Zukunft auswirkt, ist das nur zu begrüßen. Die Jesuiten aus dem Globalen Süden haben zu Beginn der Autobahnblockaden der Letzten Generation eine Solidaritätserklärung verfasst. Das wurde von den Jesuiten im Globalen Norden wahrgenommen. Und dann ist es plötzlich nicht mehr nur die Sache vom verrückten Pater Alt, sondern internationale Solidaritätsarbeit.

Bekommen Sie auch von anderen Kirchenvertreter*innen Verständnis gespiegelt? 

Die meisten halten mich für einen Spinner. Von den Bischöfen bekomme ich wenig Resonanz. Dasselbe betrifft die Spitzen von katholischen Verbänden und bedauerlicherweise auch Vertreter*innen katholischer Jugendorganisationen. Diese Art von Protest ist bei der organisierten katholischen Kirche nicht salonfähig. Ich verlange nicht, dass alle Kirchenmitglieder sich mit mir auf die Straße setzen. Aber ich erwarte, dass man sich solidarisch hinter solche Aktionen stellt.

Wie wichtig ist ziviler Ungehorsam, um in der Klimakrise politisch etwas zu bewegen? 

Für mich ist dieser Weg alternativlos. Uns läuft die Zeit davon. Laut Weltklimarat haben wir noch drei Jahre, bis die Treibhausgasemissionen anfangen müssen zu sinken, wenn das 1,5 Grad Ziel überhaupt noch eine Chance haben soll. In diesen Jahren stellen wir die Weichen dafür, wie die Welt in Zukunft aussieht. Ich mache das nicht gerne, ich habe keinen Bock auf Gefängnis. Aber ich habe den Glauben daran verloren, dass klassische Protestformate ausreichen. Wir würden doch nicht miteinander sprechen, wenn ich nicht Straftäter wäre. Ohne die Letzte Generation wäre das Klimathema nicht so sehr auf der gesellschaftspolitischen Agenda. Natürlich polarisieren und nerven wir. Aber nur so kommt eine öffentliche Diskussion in Gang. Ziviler Ungehorsam ist für mich ein Beweis dafür, dass bestimmten Menschen die Demokratie verdammt am Herzen liegt. Natürlich gibt es eine lautstarke Minderheit, die man nicht überzeugen kann. Aber ich habe den Eindruck, dass viele nachdenklich werden. Auch, weil es Leute gibt wie mich, die absolut unverdächtig sind, Krawallbrüder aus Lust am Krawall zu sein.

Die Aktivist*innen der Letzten Generation werden stark kriminalisiert: Es finden Razzien statt, sie werden in Präventivhaft genommen und als Klimaterrorist*innen bezeichnet. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?   

Es ist eine natürliche Reaktion, zu versuchen, die unangenehmen Bot*innen, die das ruhige “Weiter so” stören, mundtot zu machen. Gandhi hat gesagt: Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du. Inzwischen sind wir also im Stadium drei. Die Letzte Generation betrachtet sich als gewaltfreie und friedliche Gruppe. Wir sind der Meinung, dass es legitimierbar ist, einzelne Gesetze zu brechen, weil wir aus dem rechtfertigenden Notstand heraus handeln. Unsere Hauptforderungen umzusetzen, nämlich ein Essen-Retten-Gesetz und ein Tempolimit, würde nichts kosten, aber sofort unglaublich viel CO2 einsparen. Ich kann die Verzweiflung vieler Aktivist*innen sehr gut verstehen und werde auch wütend, wenn ich sehe, wie Söder, Scholz und Co. auf diese Form von Protest reagieren. Dass ein Volker Wissing, der Verpflichtungen des Klimaschutzgesetzes bricht, nicht in Beugehaft genommen wird. Aber Demonstrant*innen, die fordern, dass die Regierung ihren Job macht, wochenlang präventiv in Gewahrsam kommen. Da stimmt doch etwas nicht in unserem Land.

Was muss erreicht werden, damit Sie Ihren Protest als erfolgreich betrachten? 

Ich hoffe, dass das Verständnis in der Bevölkerung wächst. Natürlich will ich auch, dass meine politischen Forderungen erfüllt werden. Und solange das nicht der Fall ist, muss ich gucken, wie ich den gesellschaftlichen Druck aufrechterhalte und weiter nerve. Ich weiß, dass die Letzte Generation noch viele Ideen hat, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Und im Moment bekommen wir sehr viel Zulauf.

Vielen Dank für das Gespräch – und vor allem für Ihren mutigen Einsatz für soziale und ökologische Gerechtigkeit!

Ansprechpartnerin_Miriam_Instenberg

Ich bin für Ihre Fragen da:

Miriam Instenberg
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
instenbergnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-13

Mehr zu Klimagerechtigkeit