Vertriebene einer bäuerlichen Genossenschaft demonstrieren gemeinsam mit COPA und Plataforma Agraria für den Schutz ihrer Rechte und die Rückkehr auf ihr Land. Foto: Plataforma Agraria
Am 11. April 2025 hat die CIR gemeinsam mit Mitgliedern zweier lokaler kleinbäuerlicher Kooperativen aus dem Aguán-Tal in Honduras eine Lieferkettenbeschwerde gegen die Agrarhandelsriesen ADM und Cargill eingereicht. Die Beschwerde erfolgte gemäß des deutschen Lieferkettengesetzes beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Gegenstand sind die Verletzung von Landrechten sowie zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen, die mit dem Palmölhersteller Dinant in Verbindung stehen sollen. Dieser Name taucht immer wieder auf den indirekten Lieferlisten zahlreicher bekannter Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelindustrie auf. Seit Jahren weisen zivilgesellschaftliche Organisationen auf das gewaltsame Vorgehen und die Menschenrechtsverletzungen durch die Corporación Dinant bzw. durch die mit ihr in Verbindung stehenden bewaffneten Gruppen hin. Auch die CIR berichtete bereits mehrfach. Gegen Dinant und dessen Eigentümer Miguel Facussé wurden zudem bereits mehrere Gerichtsverfahren angestoßen. Trotz der bekannten Missstände unterhalten ADM, Cargill und andere in der Beschwerde genannte Unternehmen weiterhin Lieferbeziehungen zu Dinant. Darin sehen wir einen möglichen Verstoß gegen die gesetzlich bestehende Sorgfaltspflicht dieser Unternehmen – insbesondere im Hinblick auf Risikoanalysen sowie Maßnahmen zur Vermeidung, Beendigung und Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten.
„Wir erwarten vom BAFA eine Prüfung und Bewertung der Lieferbeziehungen im relevanten Zeitraum. Angesichts der langjährigen Gewaltkonflikte und der anhaltenden Bedrohungslage in der Region sehen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer Menschenrechtsverletzungen. Wir fordern die genannten Unternehmen daher auf, unverzüglich Abhilfemaßnahmen gemäß § 9 Abs. 3 LkSG unter aktiver Beteiligung der betroffenen Kooperativen und Gruppen zu entwickeln – und unterstützen als Zwischenlösung die Aussetzung der Geschäftsbeziehungen zu Dinant, bis eine friedliche Lösung der Landkonflikte erreicht ist“, meint CIR-Referent für Menschenrechte und Unternehmensverantwortung Dominik Groß.
Erst im vergangenen Jahr hatte der honduranische Palmölhersteller vom Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO) das Prädikat „nachhaltig“ erhalten – ein Hohn für die Mitglieder der kleinbäuerlichen Kooperativen im Aguán-Tal, die seit Jahren unter Bedrohungen, Schikanen und sogar tödlicher Gewalt leiden. Die Organisation unserer Beschwerdeführer*innen – ein Zusammenschluss betroffener Kooperativen im Aguán-Tal (Plataforma Agraria) – wurde im Audit-Verfahren des RSPO nicht konsultiert. Als Audit wird ein systematischer Prozess bezeichnet, der die Übereinstimmung eines Unternehmens oder einer Organisation mit bestimmten Standards oder Vorschriften bewertet. Aktuell findet das planmäßige Folge-Audit des RSPO in Honduras statt.
Das RSPO-Siegel vermittelt Konsument*innen nicht nur den Eindruck einer sozial und ökologisch verträglicheren Produktionsweise, sondern hat inzwischen auch eine Filterfunktion oder gar Gatekeeper-Funktion – insbesondere in Deutschland und auf dem europäischen Markt. Für den Marktzugang ist eine Nachhaltigkeitszertifizierung fast unabkömmlich geworden: So betrug der Anteil von nachhaltig zertifiziertem Palmöl in Europa im vergangenen Jahr 88 Prozent (ausgenommen Biokraftstoffe). Umso besorgniserregender ist es, wenn ein Unternehmen wie Dinant trotz langjährig bekannter Missstände eine Zertifizierung erhält und dadurch den Anschein von Nachhaltigkeit erzeugt.
Honduras ist leider kein Einzelfall. Auch in Guatemala hatten die CIR und andere Organisationen Anfang des vergangenen Jahres mit dem Palmöl-Report umweltbezogene und menschenrechtliche Verstöße durch den ebenfalls zertifizierten Palmölproduzenten NaturAceites öffentlich gemacht. Das mittelamerikanische Land hatte in den vergangenen Jahren als Lieferant für Deutschland an Bedeutung gewonnen. Knapp ein Jahr später gab der RSPO bekannt, dass dem Unternehmen die Nachhaltigkeitszertifizierung für alle drei seiner Mühlen entzogen wurde. Diese war zuvor bereits suspendiert worden, da NaturAceites innerhalb der gesetzten Frist von sechs Monaten keine ausreichenden Verbesserungen vorweisen konnte. In einem durch den CIR-Report angestoßenen Überprüfungsprozess bestätigten sich zahlreiche Vorwürfe, darunter etwa die Verantwortung des Unternehmens für die Verunreinigung von Wasserquellen.
„Es ist ein wichtiges Zeichen, dass NaturAceites seine Zertifizierung nicht wiedererlangen konnte und somit nicht weiter unter dem Schein der Nachhaltigkeit operieren kann. Wir begrüßen daher den längst überfälligen Schritt des RSPO, den Sachverhalt erneut zu prüfen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Zugleich waren die Missstände bereits seit Jahren ausführlich dokumentiert. Unstimmigkeiten im letzten Audit hätten früher auffallen müssen, und den Aussagen der Betroffenen hätte Glauben geschenkt werden müssen. Eine Zertifizierung, bei der erst durch zivilgesellschaftlichen Druck genauer hingeschaut wird und bei der systemische Umwelt- und Menschenrechtsvergehen offenbar nicht im Widerspruch zur Nachhaltigkeitsdefinition stehen, wirkt wenig glaubwürdig“, ordnet CIR-Referentin Anne Sträßer den Sachverhalt ein.
De facto bedeutet der Verlust der Zertifizierung, dass NaturAceites von den Mühlenlisten vieler deutscher und europäischer Unternehmen gestrichen wird, da sich diese zur Abnahme ausschließlich zertifizierten Palmöls verpflichtet haben. Die Situation der Betroffenen vor Ort verbessert sich dadurch jedoch nicht unbedingt. Zudem besteht die Möglichkeit, dass nun anstelle des guatemaltekischen Palmöls problematisches honduranisches Öl in unseren Einkaufswagen gelangt – denn Unternehmen sind auf Ersatz angewiesen.
Zwar können Zertifizierungen ein hilfreiches Instrument zur Erhöhung der Transparenz in Lieferketten sein, doch sie weisen weiterhin systemische Schwächen auf. Umso wichtiger ist ein starkes Lieferkettengesetz, das nicht hinter freiwillige Siegel zurückfällt, sondern Unternehmen wirksam zur Verantwortung zieht.
Besorgniserregend ist daher, dass die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz plant, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschaffen – und sogar das europäische Pendant infrage stellt. Nur einen Tag bevor wir mit Betroffenen die Beschwerde beim BAFA einreichten, wurde dies im neuen Koalitionsvertrag angekündigt.
Beides wäre ein großer Rückschritt – und ein schwerer Schlag für Menschenrechte weltweit.
Über das problematische Palmöl aus Honduras berichteten wir bereits in unserem Palmölreport, der im Februar 2024 erschienen ist. Mehr über die Probleme in der Lieferkette des Palmölherstellers Dinant erfahrt ihr im Report.
Ich bin für Ihre Fragen da:
Dominik Groß
Referent für Menschenrechte und Klimaschutz in Agrarlieferketten
gross @ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-43
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