Hallo und herzlich Willkommen zur Ausstellung Somos Iguales!

 

Wenn an typisch weiblich oder männlich gedacht wird, verbinden viele Menschen Eigenschaften mit dem Geschlecht. Frauen werden dabei nach wie vor Eigenschaften zugeschrieben, die sie oft als schwächer und weniger leistungsfähig als Männer darstellen. Diese Vorurteile sorgen dafür, dass Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden. Vielerorts haben Frauen noch immer kein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Dieses Verhalten, also eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wird Sexismus genannt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der es wichtig ist,  welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen. Je nach dem werden wir in ein Muster gepresst, in dem es ganz klar ist, wer wir sind und wie wir uns dementsprechend verhalten müssen. Alltäglich haben wir mit diesen Geschlechterrollen zu tun – sei es in der Werbung, in der Schule oder im Beruf. Diese Zuteilung ist für viele Menschen so normal, dass sie sie in der Regel nicht hinterfragen. Und: Was ist daran denn auch problematisch?!

Somos Iguales (wir sind gleich) möchte nahebringen, wo und wie uns Sexismus in unserem Alltag überall begegnet. Die Ausstellung begleitet dich auf diesem Weg und zeigt, dass Unterschiede zwischen Frauen und Männern oft nur durch die Erziehung und Gesellschaft gemacht sind. Anschaulich wird gezeigt, dass das Geschlecht nur eines von vielen Merkmalen ist, dass einen Menschen ausmacht, es aber auch nicht zwingend ein Merkmal sein muss.

Schließlich lädt dich Somos Iguales dazu ein, dich zu fragen: Wie bestimmen vorgefertigte Geschlechterrollen meinen Alltag? Wo positioniere ich mich? Wie erlebe ich mich im Geflecht von Rollenerwartungen? Was bedeutet eigentlich Gleichberechtigung für mich?

Wie gegen Sexismus vorgegangen werden kann, das zeigt die Ausstellung anhand einer kleinen Auswahl von Organisationen aus Nicaragua und Deutschland. Mit Mut und Solidarität positionieren sich Frauen in beiden Ländern, um ihr Verständnis von Gleichberechtigung zu leben und sich für gerechte Gesellschaften für alle Geschlechter einzusetzen. Gemeinsame Kämpfe und Visionen dieser Initiativen zeigen auf, dass Sexismus ein globales Problem ist, an dem es gemeinsam zu arbeiten gilt. Denn die eigene Freiheit des Geschlechts zu leben, bedeutet auch immer, alle anderen Freiheiten anzuerkennen.

Wusstest du, dass…

...Schwangerschaftsabbrüche in Nicaragua unter allen Umständen verboten sind?

Seit Juli 2008 sind Abtreibungen in Nicaragua unter allen Umständen illegal. Auch wenn das Leben der Schwangeren auf dem Spiel steht, auch wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultiert. Ärzt*innen riskieren Gefängnisstrafen, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen oder auch nur ungewollt dem Fötus bei einer Untersuchung schaden. Ein Abtreibungsverbot verhindert keine Abtreibungen, es verlagert sie nur in risikoreiche, ungeschützte Räume.

 

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche zwar rechtlich verboten,  Schwangere dürfen aber bis zur 12. Woche straffrei abtreiben.

...Frauen massiv von körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen sind?

Jede dritte Frau in Europa hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, das fand eine Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte 2014 heraus. Nur selten werden die Straftaten der Polizei gemeldet.
In Deutschland sind 81% der Gewalttaten in Partnerschaften gegen Frauen gerichtet (2019). Gewalttaten wie sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung sowie Zuhälterei und Zwangsprostitution sind laut der Statistik des Bundeskriminalamtes fast ausschließlich gegen Frauen gerichtet.

 

In Nicaragua hat jede zweite Frau in ihrem Leben sexuelle Gewalt erlebt. 2017 wurden 58 nicaraguanische Frauen getötet, der Grund: ihr Geschlecht. Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts werden auch Feminizide genannt. Fast 30% aller werdenden Mütter in Nicaragua sind unter 18 Jahre alt. Die Hälfte von ihnen sind zwischen 10 und 14 Jahre alt. Viele dieser Schwangerschaften sind das Resultat sexueller Übergriffe. Mehr als 80% der Opfer sexualisierter Gewalt in Nicaragua sind 16 Jahre alt oder jünger.
Den Grund für die immense Gewalt gegen Frauen in Nicaragua sehen viele in der vorherrschenden Machokultur, in der Männer sich überlegen fühlen, auch „Machismo“ genannt.

...Frauen in Deutschland 19% weniger Lohn erhalten als Männer?

In Deutschland haben Frauen im Jahr 2019 19% weniger  pro Stunde verdient als Männer. Das ist die sogenannte Gender Pay Gap (also Geschlechter-Lohnlücke), die den Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes von Frauen und Männern darlegt.

 

Dieser Unterschied ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass Frauen seltener in Führungspositionen arbeiten (können) und das Gehalt je nach Branche schwankend ist. So arbeiten Frauen aufgrund von Stereotypen häufiger in Pflegeberufen, die monetär weniger gewertschätzt werden als beispielsweise IT-Berufe.

 

Werden diese branchenabhängige Unterschiede rausgerechnet, bleibt es bei einem Lohnunterschied von 6% (2018), die Frauen bei vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie weniger pro Stunde verdienen als Männer.

...Frauen weltweit täglich 3 Stunden mehr Zeit für Sorgearbeit aufbringen als Männer?

Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen hielt 2019 fest, dass Frauen weltweit durchschnittlich 3 Stunden pro Tag mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer. Je nach Region schwanken die Zeitangaben zischen zwei bis zehnmal mehr aufgewendeter Zeit für Sorgetätigkeiten.

 

Sorgearbeit bedeutet: sich um Kinder oder kranke/pflegebedürftige Angehörige kümmern und Haushaltstägigkeiten wie putzen, waschen, kochen.
Diese unbezahlten Tätigkeiten, die Frauen mehr leisten, führen dazu, dass sie weniger Zeit für bezahlte Arbeit, für Bildung oder Freizeit und Erholung haben, wodurch sich Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern verstärken.

 

Die Corona-Pandemie, die den Betrieb von Betreuungsinstitutionen wie Kitas und Schulen stark einschränkt, hat die geschlechtlich bedingten Unterschiede der Sorgearbeit weltweit verstärkt.

...Geschlecht nicht nur männlich oder weiblich sein muss?

Bei Geschlecht denken wir häufig nur in zwei Kategorien: männlich und weiblich. Mann und Frau.
Geschlecht kann aber auch bedeuten, sich zu keiner dieser beiden Kategorien zugehörig zu fühlen: das ist zum Beispiel bei nicht-binären Menschen der Fall.
Auch sind Geschlechtsmerkmale gar nicht immer so eindeutig zuzuordnen: intergeschlechtliche Menschen haben sowohl weiblich- als auch männlich-verstandene körperliche Merkmale. Da die Gesellschaft in zwei geschlechtlichen Kategorien denkt, werden intergeschlechtliche Kleinkinder häufig so operiert, dass ihre Geschlechtsmerkmale vermeintlich eindeutig erscheinen. Dabei kann es zu Unfruchtbarkeit und weiteren erheblichen Beeinträchtigungen kommen, weswegen Amnesty International diese Praktik als Menschenrechtsverletzung einstuft.

 

Generell ist das Geschlecht nicht eindeutig an Körpern festzulegen: manche Menschen, die beispielsweise mit einer Vulva geboren wurden, identifizieren sich nicht mit dem weiblichen Geschlecht und sind Männer. Manche Frauen wurden mit einem Penis geboren und wurden daher zunächst als männlich wahrgenommen. Das nennt sich „transgeschlechtlich“. Transgeschlechtliche Menschen werden oft angefeindet und diskriminiert, insbesondere transgeschlechtliche Frauen werden aufgrund ihrer Weiblichkeit abgewertet, das heißt „Transmisogynie“.

 

Geschlecht besteht also nicht nur aus zwei Optionen, sondern kann ganz vielfältig mit vielen Verwebungen, Überschneidungen und Veränderungen ausgestaltet werden.

...Frauen besonders von digitaler Gewalt betroffen sind?

Digitale Gewalt ist nichts Ungewöhnliches: Laut dem Bündnis gegen Cybermobbing geben fast zwei Drittel aller Erwachsenen in Deutschland an, dass sie digitale Gewalt beobachtet haben oder selbst betroffen waren.

 

Digitale Gewalt heißt, dass Menschen herabgewürdigt, verängstigt, genötigt, erpresst oder zum Schweigen gebracht werden sollen. Auch wenn der Ruf von Menschen geschädigt wird oder sie sich sozial isoliert fühlen, wird von digitaler Gewalt gesprochen.

 

Häufig ist digitale Gewalt sexualisiert und richtet sich gezielt gegen Frauen. Dazu zählen sexuelle Belästigung, unerwünschte Penisbilder (sogenannte „Dickpicks“), Vergewaltigungsphantasien oder das Weiterleiten von intimen Bildern.
Digitale Gewalt kann sowohl öffentlich, also in Kommentarspalten oder auf öffentlichen Profilen als auch in privaten Chats stattfinden. Dabei ist sie nicht trennbar von analog stattfindender Gewalt, da sie auch Gewalt- und Machtverhältnisse der Gesellschaft abbildet.

Sexismus begegnet uns jeden Tag.

Warum gibt es überall Sexismus – aber nirgendwo Sexist*innen?

Sexismus und sexuelle Übergriffe haben sich so stark in unserer Gesellschaft verfestigt, dass viele Menschen sexistisches Verhalten nicht wahrnehmen.

Sexismus wird unter anderem auch dadurch zur Alltäglichkeit, dass wir ihn in Film und Fernsehen stets wiederfinden können. Der sogenannte Bechdel-Test der Comiczeichnerin Alison Bechdel macht das deutlich. Der Test untersucht Filme entlang dieser Fragen:
1. Gibt es mindestens zwei Frauenrollen?
2. Sprechen sie miteinander?
3. Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann?
Wenn die drei Fragen bejaht werden können, hat der Film den Test bestanden. Eigentlich keine besonders anspruchsvollen Kriterien, oder?
Jetzt denk mal an deine Lieblingsfilme und überprüfe, ob sie den Bechdel-Test bestehen. Klassiker wie die Herr der Ringe Trilogie oder Avatar fallen schon bei diesem sehr niedrigschwellig angelegten Test durch. Und dabei wird noch nicht einmal genauer geprüft, wie stereotyp Frauen dargestellt werden.

Sexismus gibt es nicht nur im Film oder in der Werbung, auch die Musik, die nebenbei im Radio dudelt, vermittelt häufig ganz unterschwellig sexistische Inhalte. Dafür muss noch nicht einmal auf ganz offen sexistisch auftretene Rapper wie Farid Bang oder Kollegah zurückgreifen, selbst beim vergleichsweise harmlos daherkommenden Musiker Cro finden sich Textzeilen wie „Und wenn sie heiraten will und nach drei Tagen chillen schon dein ganzes Haus und deinen Leihwagen will – erschieß sie“. So ist Sexismus ganz beiläufig in unseren Alltag integriert

So ist Sexismus zwar häufig Teil unseres Alltags, aber wir bemerken ihn nicht aktiv. Deshalb gibt es auf den ersten Blick auch keine Sexist*innen – weil sexistische Handlungen und Äußerungen für uns eben ganz normal sind und sehr oft nicht problematisiert werden.

Sexismus darf nicht ausgeblendet werden!

Wenn wir um uns schauen, können wir überall Sexismus entdecken – das haben die Beispiele gezeigt. Doch was bedeutet das für den Alltag von Frauen in Deutschland und in Nicaragua?

Wichtig ist zuerst einmal zu verstehen, dass wir alle in Gesellschaften aufwachsen, die uns, unser Verhalten und Denken prägen.

Wenn diese Gesellschaften jedoch nach wie vor Sexismus dulden, dann liegt es an uns, sich dagegen zu stellen.

Also,… was kann ich tun?

Frage dich: Werden Menschen durch mein Verhalten verletzt? Mache ich Witze, die anderen schaden?

Hinterfrage diskriminierende Handlungen in deinem Alltag! Beschwere dich über Vorurteile und mache auf Ungerechtigkeiten aufmerksam! Schaue nicht weg, wenn du Zeug*in einer sexistischen Handlung wirst! Greife ein, zeige Widerstand und sprich mit Freund*innen darüber!

Beschwere dich bei Zeitschriften oder Unternehmen, wenn dir sexistische Werbung auffällt.

Gehe auf Demonstrationen, die gegen Sexismus aufrufen. So kannst du auch in der Öffentlichkeit deinen Unmut über sexistisches Verhalten ausdrücken!

Die Ausstellung „Somos Iguales“ ist im März 2016 vom Informationsbüro Nicaragua erstmals veröffentlicht worden. Die Online-Umsetzung hat 2021 die CIR übernommen und hat einzelne Texte und Illustrationen ergänzt.