Unternehmensverantwortung

Ein Schritt in die richtige Richtung

Das EU-Parlament hat sich auf einen Entwurf für ein EU-weites Lieferkettengesetz geeinigt und dem Vorhaben in einer Abstimmung grünes Licht gegeben. Wie wirksam ist der Gesetzentwurf, um Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten zu schützen? Und wie geht es jetzt weiter? Ein Überblick.

Flaggen vor dem EU-Parlament in Straßburg. Quelle: Pixabay

Das EU-Parlament in Straßburg. (Foto: Pohlmann/Pixabay)

Monatelange Verhandlungen gingen der Entscheidung voraus, nun hat das EU-Parlament am 1. Juni 2023 einem Entwurf für die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zugestimmt. Hinter dem komplizierten Namen steckt ein EU-weit geltendes Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Geschäften europäischer Unternehmen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der aus Sicht der Romero Initiative (CIR) dennoch einige Schwächen aufweist.

 

Viel zu oft tragen europäische Unternehmen mit skrupellosen Geschäftspraktiken maßgeblich zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und zerstörter Umwelt bei. Den Preis für die Profite der Konzerne aus Europa zahlen Mensch und Natur, vor allem im Globalen Süden. Mit dem jetzt verabschiedeten Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz soll sich dies ändern.

Die wichtigsten Eckpunkte:
  • Unternehmen in der EU werden dazu verpflichtet, ihre Lieferketten im Hinblick auf Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung und den Verlust von Artenvielfalt zu kontrollieren.
  • Genutzt wird hierbei ein risikobasierter Ansatz, der präventiv wirken soll. Das bedeutet, dass Unternehmen regelmäßig analysieren müssen, ob und welche Risiken es in ihren Lieferketten für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden gibt. Diese Sorgfaltspflichten sollen bereits ab Beginn der Wertschöpfungskette gelten. Also dort, wo es um die Einhaltung der Menschen- und Umweltrechte meist am schlechtesten steht.
  • Ebenfalls im Entwurf vorhanden ist eine zivilrechtliche Haftungsregel: Wenn Unternehmen gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen und dadurch Schäden verursachen oder zu Schäden beigetragen haben, könnten Betroffene die Unternehmen vor Zivilgerichten in den EU-Mitgliedsstaaten auf Schadensersatz verklagen.
  • Die Zahlung existenzsichernder Löhne (im Gegensatz zu Mindestlöhnen, die für ein Leben in Würde oft nicht ausreichen) wird im Gesetzentwurf explizit als Ziel benannt.
  • Auch Umweltrechte sind mit einbezogen worden: Unternehmen müssten umweltbezogene Risiken beachten, z.B. die Verschmutzung von Trinkwasser, und Klimaschutzpläne im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel erstellen.
  • Das Gesetz soll ab einer Unternehmensgröße von 250 Mitarbeitenden gelten. Das deutsche Lieferkettengesetz sieht die Sorgfaltspflichten erst ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitenden vor (ab 2024 auch für Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitenden).
  • Unklar ist noch, ob das Gesetz auch für die Finanzindustrie (z.B. Banken, Fondsgesellschaften oder Versicherungen) gelten wird. Die Finanzlobby und auch die deutsche Bundesregierung fordern, dass Waffenexporte und Finanzinvestitionen von dem Gesetz ausgenommen werden. Demnach soll jedes EU-Land selbst entscheiden dürfen, ob die Finanzindustrie sich an die Vorschriften halten muss.

„Mit der Zustimmung zu einem europäischen Lieferkettengesetz hat das Europäische Parlament einen wichtigen Schritt in Richtung gerechterer globaler Lieferketten getan. Die Abgeordneten sprachen sich mit einer stabilen Mehrheit für verbindliche Regeln für Unternehmen aus. Die Botschaft ist deutlich: Menschenrechte, Klima und Umwelt müssen zukünftig wirksam vor negativen Einflüssen durch globales Wirtschaften geschützt werden. […] Dennoch ist der beschlossene Kompromiss weit entfernt von unseren Forderungen als Zivilgesellschaft.“

Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz

Unsere Kritikpunkte:
  • Das Gesetz würde zwar Schadensersatzklagen gegen europäische Unternehmen erleichtern, dennoch existieren hohe Hürden, da eine Regelung zur fairen Beweislastverteilung fehlt. Kläger*innen müssten beweisen, dass das betreffende Unternehmen bestimmte Sorgfaltspflichten verletzt hat und ein kausaler Zusammenhang mit dem entstandenen Schaden besteht. Ohne Zugang zu unternehmensinternen Dokumenten ist das kaum möglich. Das Problem: Bei der Erfüllung von Sorgfaltspflichten handelt es sich um interne Entscheidungen und um Prozesse, in die Außenstehende keinerlei Einblick haben. So bliebe es für Betroffene weiterhin sehr schwierig, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen.
  • Auch für den Finanzsektor müssen vollumfängliche Sorgfaltspflichten gelten. Nur so kann sichergestellt werden, dass europäische Banken und Investor*innen keine Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung finanzieren.
  • Es existieren noch viele Schlupflöcher für Unternehmen.
  • Es gibt keine eigenständigen klimabezogenen Sorgfaltspflichten.
  • Durch die festgelegte Größe der Unternehmen gilt das Gesetz nur für einen geringen Prozentsatz aller Unternehmen. Außerdem sind Geschäftsführende erst ab 1.000 Angestellten für eine Sorgfaltsprüfung des eigenen Unternehmens zuständig.

 

Wie geht es weiter?

Das Europäische Parlament hat am 1. Juni für den Gesetzesentwurf gestimmt. Jetzt folgt der Trilog-Prozess, in dem die drei EU-Institutionen (Parlament, Rat und Kommission) die finale Ausgestaltung der Richtlinie verhandeln. Dort werden wesentliche Details, wie die Einbeziehung des Finanzsektors, der Umfang der Wertschöpfungskette und der Unternehmensgröße ausgehandelt. Ziel ist es, das Gesetz noch vor den Europawahlen im nächsten Jahr zu verabschieden. Ist das Gesetz einmal verabschiedet, muss es im nächsten Schritt in nationales Recht umgesetzt werden. Da der Entwurf für das europäische Lieferkettengesetz an einigen Stellen strenger ausgefallen ist als das deutsche Lieferkettengesetz, müsste dieses entsprechend verschärft werden.

"Stimmt für die Gerechtigkeit! Gerechtigkeit geht alle an!" Quelle: Initiative Lieferkettengesetz
"Stimmt für die Gerechtigkeit! Gerechtigkeit geht alle an!" Quelle: Initiative Lieferkettengesetz

 

Als Teil der Initiative Lieferkettengesetz fordern wir ein starkes EU-Lieferkettengesetz! Der aktuell laufende Trilog-Prozess ist der richtige Zeitpunkt, um dafür aktiv zu werden! Zum Beispiel mit unseren Postkarten an lokale Bundestagsabgeordnete. Jetzt mitmachen und zeigen: Wir stehen hinter einem starken EU-Lieferkettengesetz – und erwarten das auch von den deutschen Politiker*innen!

Ansprechpartner_Dominik_Gross

Ich bin für Ihre Fragen da:

Dominik Groß
Referent für Menschenrechte und Klimaschutz in Agrarlieferketten
grossnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 – 674413-43