Haiti

Eine kritische Bewertung der UN-Peacekeeping-Einsätze in Haiti

Der Karibikstaat Haiti befindet sich seit Jahrzehnten in einer Dauerkrise. Dank der guten Vernetzung ihres ehemaligen Vorstandsmitglieds Heiner Rosendahl, der jahrelang für die Vereinten Nationen in Haiti tätig war, hat die CIR viele Jahre eine kleine Gemeindeorganisation in der haitianischen Hauptstadt unterstützt, die sich besonders um unbetreute Kinder und Jugendliche gekümmert hat. Auch nach der Rückkehr Heiner Rosendahls nach Deutschland verfolgen wir weiterhin die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Haiti.

Die Hiobsbiotschaften aus dem Inselstaat reißen nicht ab. Seit dem Korruptionsskandal im Jahr 2018 verschärft sich die Lage in Haiti sogar noch: Die seit jeher hohe Bandenkriminalität hat einen neuen Höchststand erreicht. Seit April 2023 gehen verzweifelte Bürgergruppen selbst gegen die Banden vor, die mit Raub, Gewalt und Vergewaltigungen Angst und Schrecken in den Vierteln von Port au Prince verbreiten. Die UN denkt nun über die Entsendung einer Polizeigruppe unter kenianischer Führung nach, um die Gewalt zu reduzieren. Doch zeigt nicht die bisherige Geschichte Haitis das Scheitern aller UN-Bemühungen? Heiner Rosendahl legt im Folgenden dar, dass die Antwort auf diese Frage nicht ganz so einfach ist.

Am Sonntag, den 27.08.2023, versuchten mehrere hundert Bewohner*innen des Bezirks Canaan in Port-au-Prince mit Macheten und Knüppeln bewaffnet und  angeführt von ihrem Pastor, ihr Viertel von schwerbewaffneten kriminellen Banden zu befreien. Die Bandenmitglieder leben von Erpressung, Entführung und Raub und beuten die Bevölkerung aus. Die Bandenmitglieder wussten, dass ihre Kontrolle der Gegend auf dem Spiel stand und eröffneten mit ihren großkalibrigen Waffen das Feuer auf den Marsch. Mehrere Demonstrationsteilnehmer*innen wurden ermordet, viele verletzt, einige gekidnappt.

Die haitianische Flagge auf eine Hauswand gemalt

Haitis Flagge auf einer Hauswand Foto: David Peterson, Pixabay

Die Aktion der Bewohner*innen wurde von Menschenrechtsgruppen der Hauptstadt kritisiert: Der Pastor habe die Teilnehmer unnötigerweise einem Risiko ausgesetzt, die Polizei habe den Marsch daher unterbinden müssen, der Justizminister solle den Vorfall untersuchen. Die Kritik zeigt die tiefe Spaltung in Haiti. Zwar reden alle von der völligen Unsicherheit in allen Stadtteilen der Hauptstadt und inzwischen auch in weiteren Teilen des Landes. Aber die Teilnehmer des Marsches im Bezirk Canaan sahen offenbar in dieser apokalyptisch-eschatologisch anmutenden Aktion ihre Antwort auf die tägliche Ausplünderung und die Vergewaltigung ihrer Frauen, Mütter und Kinder.

Während der Pastor und hunderte Menschen auszogen, den Banden die Kontrolle über ihr Gebiet zu entreißen, planen gleichzeitig in New York die Vereinten Nationen mit Vertretern der Polizei aus Kenia, wie eine bewaffnete Unterstützung von Polizeikräften aus mehreren Ländern unter dem Kommando Kenias die Sicherheit und Stabilität  in Haiti wiederherstellen kann. Der de-facto Premierminister Haitis, Ariel Henry, hatte im Oktober 2022 die Vereinten Nationen formell um die Entsendung einer internationalen Truppe gebeten, um die Polizei seines Landes zu unterstützen und allgemeine Sicherheit im Lande wieder herzustellen.

Diese aktuelle Entwicklung lädt zu einer kritischen Reflexion ein, warum es in den letzten Jahrzehnten den vergangenen UN Peacekeeping Missionen nicht gelungen ist, allgemeine Sicherheit und Stabilität in Haiti dauerhaft herzustellen.

Heiner Rosendahls ausführliche Analyse lesen Sie auf dem entwicklungspolitischen Blog unseres CIR-Vorstandsmitglieds Roger Peltzer: www.roger-peltzer.com