„Nachhaltigkeit läuft bei Mattel seit jeher auf Sparflamme.“

Marie-Claude Hessler, Mattel-Aktionärin und Aktivistin

Kein Grund aufzugeben!

Marie-Claude Hessler ist eine beeindruckende Person. Die französisch-schweizerische Anwältin im Ruhestand engagierte sich jahrelang in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen für die Rechte von Konsument *innen. Doch ihr weitaus größter Einsatz gilt der menschenwürdigen Spielzeugproduktion. Mit ihren über 70 Jahren ist sie eine der stärksten Verfechterinnen von Arbeitsrechten in chinesischen Spielzeugfabriken. Im Interview erzählt sie uns von ihrem unablässlichen Engagement.

15. Oktober 2018

Porträt der Aktionärin und Aktivistin Marie-Claude Hessler

Marie-Claude Hessler kämpft als Aktionärin und Aktivistin für Arbeitsrechte in chinesischen Spielzeugfabriken.

Frau Hessler, wie kommt es, dass Sie sich dem Einsatz für faire Arbeitsbedingungen in der Spielzeug-Produktion verschrieben haben?

1996 trat ich der Organisation Peuples Solidaires bei. Der erste offene Brief, den ich verschicken sollte, ging an den französischen Präsidenten des Spielzeug-Unternehmen Mattel und behandelte die Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken. Die Antwort, die wir erhielten, erinnerte mich zu sehr an die Phrasen verschiedener Diktatoren: Sie sind falsch informiert. Mattel behandelt seine Angestellten auf der ganzen Welt gut. Ich hatte den Eindruck, dass sich Nichtregierungsorganisationen hauptsächlich mit den Arbeitsbedingungen in der Textil- und Schuh-Produktion beschäftigten, weniger mit denen in der Spielzeug-Industrie. Daher rührt mein Engagement.

Was veranlasste Sie, als öffentliche Kritikerin der Spielzeugbranche, dazu, Ihr Geld in den US-amerikanischen Spielzeugkonzern Mattel zu investieren?

Mattel war damals Marktführer. (Nun sind es Lego und Hasbro, Anm. der Redaktion) Die Funktion der Aktionärin bot eine weitere Möglichkeit, zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beizutragen.

Welches Ziel verfolgen Sie konkret in Ihrer Rolle als Menschenrechtsanwältin und Aktionärin?

Ich möchte die Stimmrechte der Aktionär*innen dafür nutzen, die prekären und in meinen Augen inakzeptablen Arbeitsbedingungen auf die Agenda der jährlichen Generalversammlung von Mattel in Kalifornien zu bringen. Als Aktionärin habe ich das Recht, kritische Fragen zur Unternehmensführung zu stellen. Auf diese Weise wächst auch das Bewusstsein unter den Aktionär*innen. Außerdem geht es mir um die breite Berichterstattung in den Medien.

Konnten Sie sich selbst schon mal in China ein Bild von den Arbeitsbedingungen in den Spielzeugfabriken machen?

Ich war einige Male in China, konnte jedoch nie eine Fabrik besichtigen. Vor Jahren bat Mattel mir einen Fabrikbesuch an, verlangte aber eine drei bis vierwöchige Vorabankündigung, wahrscheinlich um die Fabrik vorzeigefähig zu machen. 1999 hatte ich das einzige Mal die Gelegenheit, mit Arbeiter*innen zu sprechen. Damals, als es noch möglich war, sich außerhalb der Fabriken mit Arbeiter*innen zu unterhalten, wurde ich von einem Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation in Hongkong begleitet. Ich war jedoch zweimal im mexikanischen Tijuana und traf Mattel-Arbeiter*innen zu Hause. In ärmlichen Hütten ohne fließendes Wasser.

Was hat Sie am meisten alarmiert?

Die hohe Zahl an Überstunden, welche die Arbeiter*innen akzeptieren müssen, da ihr Grundlohn so niedrig ist. Die Gefahren für Gesundheit und Sicherheit durch Lösungsmittel, Kleber, Farben, unzureichende Schutzkleidung. Dazu verkürzte Sicherheitstrainings, die zudem gegen das Gesetz verstoßen. Und nicht zuletzt die miserablen und oft gesundheitsgefährdenden Zustände in den Unterkünften, Duschen und Toiletten der Arbeiter*innen.

Wie würden Sie die aktuelle Situation für Menschenrechtsaktivist*innen wie Sie selbst in China beschreiben?

Bei meinen letzten Besuchen in China wurde mein Handyempfang beschnitten. Mein Name wird offensichtlich auf einer „schwarzen Liste“ geführt. Ich habe kein Bedürfnis danach, nochmal nach China zurückzukehren.

Der Spielzeug-Riese Mattel strauchelt aufgrund einbrechender Verkaufszahlen. Könnte dies die Anstrengungen beeinträchtigen, das Unternehmen hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu bewegen?

Nachhaltigkeit läuft bei Mattel seit jeher auf Sparflamme – trotz vorhandener Verhaltenskodizes. Mattels erster Verhaltenskodex wurde 1997 eingeführt und ist noch immer nicht vollständig umgesetzt. Jetzt, da Mattel ums Überleben kämpft, wird es noch schwieriger sein, auf die Arbeitsbedingungen einzuwirken. Doch dies ist für mich kein Grund aufzugeben.

Glauben Sie, dass Konsument*innen die Arbeitsbedingungen in chinesischen Spielzeugfabriken beeinflussen können?

Ich bin davon überzeugt. Konsument *innen spielen eine wichtige Rolle. Sie sind schließlich diejenigen, die die Spielwaren kaufen. Die Unternehmen brauchen ihr Geld. Konsument*innen sollten beim Kauf nach der Herkunft und den Produktionsbedingungen des Spielzeugs fragen. Falls sie keine zufriedenstellende Antwort erhalten, können Sie sich an den Hersteller wenden und gegebenenfalls woanders einkaufen

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Ich bin für Ihre Fragen da:

Anna Backmann
Referentin für Spielzeug
backmannnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-25