Kleidung

Regeln für die Textilindustrie

Die Modebranche verursacht Schätzungen zufolge 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als internationale Luftfahrt und Seefahrt zusammen. Sie verbraucht übermäßig Ressourcen, verschmutzt Wasser und erzeugt Abfälle. Die Europäische Kommission möchte die Probleme mit neuen Vorschriften für Hersteller angehen.

September 2023

Wer unsere Beiträge aufmerksam verfolgt weiß, dass wir uns seit Jahrzehnten für würdige Arbeit in der Modeindustrie einsetzen. Mit unserem Labelchecker zeigen wir zudem die Nachhaltigkeit von Bekleidungs-Siegeln – auch die ökologische Nachhaltigkeit. Hier passiert gerade etwas: Die Europäische Kommission hat im Rahmen ihrer Textil-Strategie im Sommer 2023 Vorschriften für Textilhersteller vorgeschlagen, mit denen Textilabfälle nachhaltig bewirtschaftet werden sollen. Was bringt das?

Die Modeindustrie basiert zum größten Teil auf dem System Fast Fashion. Das bedeutet: Sehr kurzlebige Trends zum Schnäppchenpreis. Fast Fashion-Marken bieten bis zu 24 Kollektionen im Jahr an. Und seit einiger Zeit beschreibt der Begriff „Ultra Fast Fashion“ Modezyklen, die sogar noch kürzer sind. Während schon Fast Fashion Giganten in ihrer Lieferkette massive Arbeitsrechtsverletzungen begehen, sieht es bei Ultra Fast Fashion noch schlimmer aus, wie z.B. ein Bericht der Organisation Public Eye belegt.

Das System Fast Fashion

Fast Fashion entsteht in den Zulieferfabriken der Modemarken in Ländern wie Indien, Bangladesch,
Vietnam, Indonesien, China, Türkei, Serbien, Rumänien aber auch in Mittelamerika. Die Arbeit in den sogenannten Textil-Maquilas  in Mittelamerika ist körperlich anstrengend und gekennzeichnet durch den permanenten Druck, eine sehr hohe Stückzahl an Kleidungsstücken fertigen zu müssen – bei schlechter Bezahlung. Die Rechte der Arbeitnehmer*innen zu Arbeits- und Überstunden, zum Umgang mit Krankheit oder Renten- und Entschädigungszahlungen werden oftmals missachtet. Allein diese Zustände sind Grund genug, das System (Ultra) Fast Fashion grundlegend zu verändern.

Eine Strategie für Nachhaltigkeit

Ein weiteres Problem bei der Produktion sind die immensen Umweltauswirkungen. Die Modeindustrie ist für etwa 20 Prozent der Abwässer und ca. 10 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Textilien landen oft auf Deponien und verursachen weitere Umweltprobleme, nur 1 % wird recycelt. Deswegen hat die EU im März 2022 eine EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorgelegt, mit dem Ziel, den Sektor nachhaltiger zu gestalten. Wiederverwendung, Reparatur und Recycling sollen eine große Rolle spielen, Textilabfälle auf ein Minimum reduziert werden. Es kann Jahre dauern, bis dieser Rahmen in konkrete Vorschriften umgesetzt wird.  Einen Anfang hat die EU-Kommission diesen Sommer gemacht, indem sie Vorschriften für die Verantwortung von Textilherstellern vorgeschlagen hat.

Mit Kreislaufwirtschaft gegen negative Umweltauswirkungen der Fast Fashion Industrie?

Es geht um einen der Eckpfeiler der Textil-Strategie, die kreislauffähige Textilwirtschaft. Hersteller sollen demnach für die Kosten der Bewirtschaftung von Textilabfällen aufkommen müssen. Das soll ein Anreiz sein, die Abfallmenge zu reduzieren und Produkte so zu entwickeln, dass sie komplett recycelbar – also kreislauffähig – sind. Außerdem will die EU-Kommission den Ausbau für eine strikte Sortierung gebrauchter Textilien über die Herstellerfirmen finanzieren lassen. So sollen Textilien zur Wiederverwendung, und Textilien, die nicht wiederverwendet, sondern recycelt werden sollen, klar unterscheidbar sein.

Darin sieht die Kommission zum einen die Chance auf einen größeren Markt für gebrauchte Textilien und lokale Arbeitsplätze, zum anderen einen Lösungsansatz für den illegalen Ausfuhr von Textilabfällen. Denn oft landen Unmengen an gebrauchter Kleidung, die als „wieder verwendbar“ gekennzeichnet wurden, zum Beispiel in der Atacama-Wüste in Chile und die afrikanischen Staaten Ghana und Kenia.

Vorschriften greifen am falschen „Ende“

Kritische Stimmen sagen, dass die Vorschriften nicht ausreichen werden, um das System Fast Fashion ins Wanken zu bringen. Sie zielen nur darauf ab, die Haltbarkeit von Kleidungsstücken zu verlängern, heißt es. Das sei ein Anfang für mehr Verantwortung seitens der Hersteller. Aber im Grunde sei es quasi nur eine Gebühr für die Umweltverschmutzung, und damit nur eine Symptombehandlung. Indes ist die Modebranche trotzdem von schnelllebigen Trends und offensivem Marketing angetrieben. Verbraucher*innen kaufen weiter günstige Mode und werfen sie weg, wenn sie diese nicht mehr mögen – nicht unbedingt, weil sie nicht mehr haltbar ist. Somit legen die Vorschriften den Fokus auf das falsche „Ende“ des Produkt-Lebenszyklus: Um einen großen Gesamteffekt zu erzielen, sollte die (für die Umwelt viel gravierendere) Produktionsphase angegangen werden.

Und die Menschenrechte?

An der gesamten Textilstrategie wird zudem die wenig soziale Ausrichtung kritisiert. Die weiteren Eckpfeiler neben der Kreislaufwirtschaft sind unter anderem ein Verbot von Greenwashing und geplanter Obsoleszenz. Und was ist mit den Löhnen und Arbeitsbedingungen von Menschen, die im Textilsektor arbeiten? Sie werden als „ungelernte“ Arbeitskräfte gesehen, ihr Wert in der Branche nicht anerkannt. Zudem sagt die Strategie kein Wort über die unternehmerischen Einkaufs- und Handelspraktiken. Genau diese, und zwar der Preisdruck der Modemarken auf ihre Lieferbetriebe, führen in der Praxis allerdings zu den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen.

Bilder: AdobeStock/Leon (1) und Bild: AdobeStock/triocean (2)

Porträt von Sandra Dusch Silva

Ich bin für Ihre Fragen da:

Sandra Dusch Silva
Referentin für nachhaltige Lieferketten und Kleidung
duschnoSpam@ci-romero.de
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