Bergbau & Rohstoffe

Sieg über Bergbauindustrie in El Salvador

Parlament verabschiedet gesetzliches Bergbauverbot

Demonstration für Wasser gegen Bergbau in El Salvador
Demonstration für ein gesetzliches Bergbauverbot in El Salvador im März 2017. Foto: CRIPDES

30.03.2017 – Bis vor kurzem hat kaum einer erwartet, dass das Parlament das Anti-Bergbaugesetz noch verabschieden würde, für das soziale Bewegungen jahrelang gekämpft hatten. Dann ging aber alles sehr schnell: Vor einigen Wochen hatte die Kommission für Umwelt und Klimawandel des Parlaments einen Gesetzentwurf erarbeitet. Gestern verabschiedete dann das Plenum einstimmig das elf Artikel umfassende Gesetz. Einen kurzen Moment lang unterbrachen die linke Regierungsbank der FMLN und die rechte Oppositionspartei ARENA ihre Streitigkeiten, um „eine einstimmige Entscheidung für den Schutz der Wasservorkommen zu treffen“, so der Twitter-Account des Parlaments. Das Gesetz begründet das Verbot der Erkundung und des Abbaus von Metallen im Tage- und Untertagebau sowie die Nutzung der im Goldbergbau verwendeten Chemikalien Zyanid und Quecksilber unter anderem folgendermaßen: „Der metallische Bergbau stellt ein Attentat gegen die Gesundheit der Einwohner*innen El Salvadors dar und birgt ernsthafte Risiken für die Umwelt, indem er durch die Auswaschung von Schwermetallen und hochgiftige Abfälle (…) Wälder, Böden und Wasservorkommen gefährdet.“

Ein historischer Sieg für soziale Bewegungen

Für viele Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen hat die Verabschiedung eine hohe emotionale Bedeutung. Viele von ihnen haben die Abstimmung live im Parlament verfolgt: „Als wir heute hinter den Glasscheiben des Parlaments standen, haben sich viele von uns umarmt und Tränen der Freude vergossen. Das Gesetz ehrt all jene, die unzählige schlaflose Nächte in Angst verbrachten oder aufgrund ihres Widerstandes ermordet wurden“, schreibt Pedro Cabezas, Mitarbeiter der CIR-Partnerorganisation CRIPDES, auf seiner Facebook-Seite. Jahrelang haben soziale Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen in El Salvador angesichts konkreter Bedrohungen durch Bergbauprojekte für ein gesetzliches Bergbauverbot gekämpft. Unsere Partner*innen von CRIPDES haben die Menschen in den betroffenen Gemeinden mobilisiert und lokale Volksbefragungen gegen Bergbau organisiert.


Der Dachverband „Rundtisch gegen den metallischen Bergbau“ reichte erstmals 2006 eine Gesetzesinitiative im Parlament ein. Diese wurde aber aufgrund fehlender Mehrheiten bald ad acta gelegt. Seitdem verschärften sich die sozialen Konflikte um den Goldbergbau. Der kanadische Konzern Pacific Rim (später OceanaGold) reichte 2009 eine Klage auf 301 Millionen US Dollar beim Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) ein. Die Regierung hatte dem Unternehmen aufgrund von Umweltbedenken und fehlender Landrechte nach einer Erkundungsphase keine Abbaulizenz erteilt. Gleichzeitig versuchte das Unternehmen, die Bevölkerung im Departament Cabañas für das Projekt zu gewinnen bzw. sie zu spalten. Versprechen des Unternehmens über die Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze und vermeintlich wohltätige Projekte weckten Interessen in den Gemeinden und brachten viele auf seine Seite. Die Spaltung der Gemeinden führte zur Ermordung von fünf Umweltaktivist*innen, die sich für den Schutz des Gebiets vor dem hochgiftigen Goldbergbau einsetzten.

Mitarbeiter*innen unserer Partnerorganisation verfolgen die Parlamentsdebatte zum Bergbauverbot in San Salvador. Foto: CRIPDES

Was zum Erfolg führte

Aufwind bekam das Gesetzesprojekt erst, nachdem das Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) im Oktober 2016 die Klage des Unternehmens ablehnte und die Rückzahlung von acht Millionen Prozesskosten an die Regierung El Salvadors forderte. Der Erzbischof Escobar Alas von El Salvador schloss sich der Antibergbau-Bewegung an und reichte Anfang März eine erneute Gesetzesinitiative beim Parlament ein. Es folgten zahlreiche Demonstrationen vor dem Parlament. Gestern stimmten dann 69 Abgeordnete (drei enthielten sich, drei waren abwesend) für die Verabschiedung und wiesen damit 16 Anträge transnationaler Konzerne auf Konzessionen zurück. Das Gesetz spiegelt die Mehrheit in der Bevölkerung wider. Laut einer Umfrage der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador von 2015 lehnen 77 Prozent der Bevölkerung den metallischen Bergbau ab.

Noch offene Konflikte

Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist das Thema für die Zivilgesellschaft aber noch nicht vom Tisch. Die in der Region Cabañas ansässige Stiftung El Dorado von OceanaGold hat ihre PR-Arbeit in den letzten Monaten intensiviert, indem sie zahlreiche vermeintlich gemeinnützige Projekte in den Gemeinden förderte oder Protestmärsche organisierte. Dabei sprach sie stets von „verantwortungsvollem Bergbau“. Kurz vor der Abstimmung veröffentlichte OceanaGold noch eine Stellungnahme und forderte die Parlamentarier*innen auf, die Modernität und Vorteile des Projekts für die Region zu bedenken. Vor einigen Tagen hat OceanaGold Arbeiter*innen nach San Salvador geschickt, um vor dem Parlament gegen das Bergbauverbot zu demonstrieren. „Wir verfolgen diese Aktivitäten mit Sorge, da es wieder zu Gewalt gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen kommen könnte“, sagt Pedro Cabezas von CRIPDES. Die sozialen Bewegungen fordern nun vom Konzern, die Prozesskosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu erstatten und sein Tochterunternehmen Minerales Torogoz sowie die Stiftung El Dorado aus dem Land abzuziehen.


Auch ein neuer Konflikt beschäftigt Organisationen wie CRIPDES. Das Gesetz sieht ein vollständiges Verbot des metallischen Bergbaus in El Salvador vor und somit nicht nur des industriellen sondern auch des sogenannten kleinen Bergbaus. Im Departament La Unión suchen einige Hundert Kleinschürfer*innen in selbstgegrabenen Tunneln informell nach Gold. Sie befürchten nun, dass sie kriminalisiert werden und ihre Einkommensquelle verlieren. Es kam bereits zu ersten Streitigkeiten zwischen Aktivist*innen und artisanalen Bergleuten in der Region. Das Gesetz sieht für Kleinschüfer*innen einen Übergangszeitraum nach Inkraftreten von zwei Jahren vor, in denen sie sich einer neuen Einkommensquelle widmen können. Der Staat will ihnen dafür Beratung sowie finanzielle und technische Unterstützung anbieten.

Internationale Vernetzung wirkt

Das Gesetz ist nicht zuletzt ein beispielloser Erfolg internationaler Solidarität. Die „International Allies against Mining in El Salvador“ mit Mitgliedsorganisationen unter anderem in Kanada, den USA, Australien und Deutschland haben die Zivilgesellschaft in El Salvador durch Delegationsreisen, Petitionen und offene Briefe an Entscheidungsträger*innen unterstützt. Die CIR hat sich aktiv an diesen Solidartitätsaktionen beteiligt.


Der „Runtisch gegen Bergbau“ in El Salvador hat auch immer wieder den Austausch mit betroffenen Gemeinden in anderen Ländern – auch in entlegenen Erdteilen – gesucht. Zuletzt besuchte der Gouverneur der philippinischen Provinz Nueva Vizcaya das mittelamerikanische Land. Die Regierung der Philippinen suspendierte kürzlich ein Bergbauprojekt von OceanaGold. Der Gouverneur fand bei seinem Besuch deutliche Worte: „Die Realität des sogenannten „verantwortungsvollen Bergbaus“ von OceanaGold auf den Philippinen ist ein Desaster. Urteilt nach dem Verhalten von OceanGold in meinem Land, nicht nach ihren Versprechen!“


Es bleibt zu hoffen, dass das Gesetz auch die Antibergbaubewegungen in den mittelamerikanischen Nachbarländern, in Lateinamerika und weltweit motiviert und unterstützt. Auch Protestbewegungen, die sich für eine faire Handels- und Investitionspolitik weltweit einsetzen, sollten sich auf den Fall berufen: Schließlich zeigt er, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren zu Investitionsstreitigkeiten nicht nur Konflikte anheizen, sondern auch demokratische Prozesse behindern. Das Gesetz konnte nämlich erst verabschiedet werden, nachdem das Damoklesschwert einer hohen Strafzahlung wegen einer vermeintlich investitionsfeindlichen Politik über El Salvador entfernt wurde.