
Das EU-Parlament in Straßburg. (Foto: Pohlmann/Pixabay)
Heute, am 16. Dezember um 12:10 Uhr, hat das EU-Parlament den Rückbau des europäischen Lieferkettengesetzes besiegelt. Insgesamt stimmten 428 EU-Abgeordnete für das so genannte „Omnibus I“-Paket, das von der EU-Kommission im Februar 2025 auf den Weg gebracht worden war und in seiner finalen Version weitgehende Aufweichungen des Liederkettengesetzes mit sich bringt: So werden etwa 70% der Unternehmen aus der Verantwortung genommen, die verpflichtenden Fahrpläne für Treibhausgasreduktionen sind sogar komplett gestrichen worden. Das sind schlechte Nachrichten für Menschenrechte im Globalen Süden, für die Rechte derjenigen, die unter prekären Bedingungen in unseren Lieferketten arbeiten. Es sind ebenso schlechte Nachrichten für den Klimaschutz. Zumindest ist das „Omnibus I“-Paket am Ende aber auch kein Sieg für die Hardliner, denn die hätten das Gesetz am liebsten komplett eingestampft. Doch das Gesetz bleibt bestehen für die großen europäischen Unternehmen. Diese sind fortan verpflichtet, ihre gesamte Lieferkette in den Blick zu nehmen für Menschrechtsverletzungen und Umweltschäden gerade zu stehen.
Der heutige Beschluss hat jedoch eine noch weitaus größere Tragweite: Die notwendige Mehrheit für die Abschwächung konnte nur erreicht werden, weil die konservative Fraktion, der auch die CDU/CSU angehört, mit den rechtsextremen Fraktionen gemeinsame Sache machte. Für diese pikante Mehrheitsbildung entschieden sich die Christdemokrat*innen unter Führung des CSUlers Manfred Weber, nachdem ihre demokratischen Partner – Grüne, Sozialdemokraten und Liberale – nicht bereit waren, die radikalen Einschnitte in Klima-, Umwelt- und Menschenrechten mitzutragen. Somit stellt sich die Frage, wie viel der Unvereinbarkeitsbeschluss zur (gesichert rechtsextremen) AfD noch wert ist, wenn Unionspolitiker*innen in Brüssel bereits Gesetze mit der Fraktion ebendieser AfD schreiben. Anders als noch in der Vorabstimmung vor gut einem Monat, stimmten heute alle Unionsabgeordnete geschlossen für das Gesetz – gemeinsam mit sämtlichen AfD-Abgeordneten.
Das Omnibus-Desaster bildet den traurigen Höhepunkt eines Jahres, in dem die Rückabwicklung von Menschenrechts- und Umweltgesetzgebung im Galopptempo und begleitet von zahlreichen Unregelmäßigkeiten vorangetrieben wurde.
Erst kürzlich kritisierte die Europäische Bürgerbeauftragte Teresa Anjinho den Omnibus I-Prozess als übereilt und nicht ausreichend begründet, ein Verstoß gegen zentrale Grundsätze transparenter und evidenzbasierter EU-Gesetzgebung. Dem vorangegangen war eine Beschwerde mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen, die das Vorgehen als undemokratisch und einseitig zugunsten von Konzerninteressen beschrieben. Zuletzt belegte eine Recherche der niederländischen Organisation SOMO die massive Einflussnahme US-amerikanischer Großunternehmen der fossilen Brennstoffindustrie. In den letzten Monaten hatten sie im Rahmen eines „Runden Tisch der Wettbewerbsfähigkeit“ an der strategischen Aushöhlung des EU-Lieferkettengesetzes gearbeitet – über Kanäle, die sich teilweise der öffentlichen Kontrolle entziehen. Erst gestern wurde eine offizielle Beschwerde gegen den zuständigen EVP-Berichterstatter Jörgen Warborn eingereicht. Diese stellt auch seine persönliche Unabhängigkeit im Omnibus-Prozess in Frage, aufgrund seiner Nebentätigkeit für SME Europe, eine Interessensvertretung für Unternehmen.
Der Omnibus-Beschluss steht damit nicht nur für einen politischen Rückzug aus der Verantwortung für Menschenrechte, sondern wirft zugleich ernsthafte Fragen zur Lage der Demokratie in der EU und zur Unabhängigkeit ihrer Institutionen gegenüber wirtschaftlichen Interessen auf.
Foto: kasto/AdobeStock
Die Einigung im Omnibus-Prozess verschiebt das Ringen um Lieferkettengesetzgebungen nun erneut nach Deutschland. Bei der anstehenden Umsetzung in nationales Recht erwarten wir von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten vor wirtschaftlichen Interessen und eine stabile Brandmauer gegenüber der AfD.
Nachdem neben inhaltlichen Änderungen auch die Fristen noch einmal verändert wurden, haben nun die EU-Mitgliedsstaaten bis zum 26. Juli 2028 Zeit, die Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland bedeutet dieser Schritt eine Anpassung des seit 2023 gültigen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Nach Ankündigungen der Regierungsparteien und Verpflichtungen aus dem Koalitionsvertrag, ist mit einer zeitnahen Umsetzung zu rechnen. Seit dem Spätsommer läuft auf Bundesebene jedoch auch ein Prozess, der umfangreiche Abschwächungen vorsieht: Die Berichtspflichten für Unternehmen sollen komplett abgeschafft, die Sanktionsmöglichkeiten massiv reduziert werden.
Im kommenden Verfahren geht es darum, eine inhaltliche Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes zu verhindern. Maßstab dafür ist das sogenannte Regressionsverbot: Einmal erreichte Schutzstandards für Menschenrechte und Umwelt dürfen nicht wieder abgesenkt werden. Zugleich eröffnet die Umsetzung in deutsches Recht auch Chancen. Der neue risikobasierte Ansatz verlangt, den Blick gezielt auf besonders gefährdete Länder und Rohstoffe zu richten – und kann so die Wirksamkeit des Gesetzes deutlich erhöhen. Entscheidend ist jetzt, diese Chance zu nutzen, um den Schutz von Menschenrechten zu stärken, statt das Gesetz weiter auszuhöhlen.

Ich bin für Ihre Fragen da:
Dominik Groß
Referent für Menschenrechte und Klimaschutz in Agrarlieferketten
gross@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-43
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