Orangensaft

Marktkonzentration

Kartellbildung und moderne Sklaverei

die Orangensaftindustrie Brasiliens.

In Brasilien sind 88,1 Prozent der Orangenbauern und -Bäuerinnen Kleinproduzenten. Sie besitzen aber nur 18,4 Prozent der Bäume. Hingegen besitzen die 10,3 Prozent der Mittelgroßen 34,2 Prozent der Bäume. Die lediglich 1,6 Prozent der Großproduzenten besitzen ganze 47,4 Prozent aller Orangenbäume.

Grafik: Marco Fischer/CIR

Rund ein Drittel aller Orangen werden in Brasilien angebaut. Damit ist das Land der größte Produzent gefolgt von China und den USA. Der Großteil der brasilianischen Orangen wird zu Saft verarbeitet, 95 Prozent davon werden exportiert. Drei große Familienunternehmen dominieren die Produktion in Brasilien undvereinen 80 Prozent der globalen Saftherstellung auf sich: Cutrale, Citrosuco und Louis Dreyfus Company, kurz LDC.

Wegen Kartellbildung beim Orangenkauf mussten Cutrale, Citrosuco und Coinbra (heute LDC) im November 2016 umgerechnet 84 Millionen Euro Strafe zahlen. Der Abschlussbericht der 1999 eingeleiteten Ermittlungen hob hervor, dass es anhaltende Indizien für den Fortbestand dieses Kartells gäbe. Außerdem schreite die Vertikalisierung voran und es würden unvermindert kleinere und mittlere Produzenten aus dem Markt gedrängt. Inzwischen wächst ein gutes Drittel der Saftorangen auf den konzerneigenen Plantagen – Tendenz steigend.

Das kritisiert auch die brasilianische Vereinigung der Zitrusproduzenten (Associtrus). Die verhängte Strafe entspräche dem Umsatz der Firmen in einer Woche, erklärte der Präsident der Vereinigung, Flávio Viegas. Das Kartell nehme massiv Einfluss auf den Orangenpreis. Laut Viegas würden Lieferzeiten und Mengen mit den Zulieferern nicht verhandelt, sondern von den Saftfirmen einseitig und sehr kurzfristig mitgeteilt. Das führt sogar zu unerwarteten Pflückstopps, wodurch die Zulieferer einen Teil ihrer Ernte verlieren. Dies verursacht zusätzliche Kosten. Die Industrie verarbeitet hingegen die eigenen Früchte immer zuerst, beginnt früher mit der Ernte, sucht als erste nach Erntehelfer*innen und entzieht dem Markt die besten Arbeitskräfte. Außerdem besitzt sie größere Anbauflächen, was die Erntezeit verlängert und sie als Arbeitgeber attraktiver macht. Den Druck durch die strukturellen Nachteile geben die Zulieferer direkt an die Pflücker*innen weiter.

Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern

Im Auftrag der CIR hat Repórter Brasil Orangenpflücker*innen auf Zulieferplantagen interviewt. Sie ernten oft ohne Arbeitspapiere als Tagelöhner*innen. Es gibt keine Schutzkleidung, frisches Wasser wird nicht gestellt. Sie arbeiten regelmäßig mehr als zehn Stunden am Tag, auch der wöchentliche Ruhetag wird nicht beachtet. Vom Verkaufspreis an der Supermarktkasse bekommen sie nur etwa vier Prozent. Wer hingegen auf Plantagen der Saftriesen pflückt, erhält etwa sieben Prozent des Preises.

Cutrale steht seit Oktober 2017 auf der „Schmutzigen Liste“, auf der die brasilianische Regierung alle Unternehmen registriert, die ihre Arbeiter*innen in Sklaverei oder sklavereiähnlichen Zwangsverhältnissen gehalten haben. Neben diesen wiederholten Fällen von sklavereiähnlichen Zwangsverhältnissen verzeichnete die Staatsanwaltschaft MPT zwischen 2011 und 2016 bei Cutrale 482 Verstöße gegen das Arbeitsrecht, die mit Bußgeld geahndet wurden – großteils auf Orangenplantagen (154 Verstöße im gleichen Zeitraum bei LDC; 242 Verstöße bei Citrosuco zwischen 2011 und 2017). So fehlten die gesetzlich vorgeschriebenen Sanitär- und Waschräume in Feldnähe oder Essplätze mit Regenschutz. Fahrzeuge waren für den Transport von Menschen untauglich. Für die Ausbringung von Agrochemikalien wurde keine angemessene Sicherheitsausstattung bereitgestellt und das Personal wurde nicht darin geschult.

Pfücker*innen auf den Plantagen von Cutrale berichteten, dass die Orangenbäume andauernd mit Agrargiften besprüht werden, auch während der Ernte, teilweise nur einen Meter von ihnen entfernt. Dies verursacht neben Kopfschmerzen auch Ohnmacht, Übelkeit und Nasenbluten. Es gebe keine Auskünfte über die verwendeten Stoffe – auch nicht darüber, wie viel und wo gesprüht wird. Die Pflücker*innen bemängelten außerdem falsch geeichte Waagen. Jeder Großsack wiege 600 Kilo, die Firma veranschlage jedoch nur 540 Kilo. Die Mehrzahl der Befragten berichtet von Rückenschmerzen, Bein und Knieschmerzen, schmerzenden Händen, Armen und Schultern.

Stichverletzungen durch die Stacheln der Orangenbäume seien trotz Sicherheitshandschuhen die Norm. Erntearbeiter*innen, deren Finger infolge von entzündeten Stachelwunden steif geworden waren, seien entlassen worden. Die Arbeiter*innen berichteten, dass sie weder arbeitsrechtliche Beschwerden einreichen, noch Verbesserungen fordern, da sie Angst vor Entlassungen haben. Wann immer sich jemand beschwere, werde der Person mit Kündigung geantwortet oder diese angedroht. Ähnliche Verhältnisse beklagten auch Pflücker*innen auf Plantagen von Citrosuco und LDC.

Porträt von Sandra Dusch Silva

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Sandra Dusch Silva
Referentin für nachhaltige Lieferketten und Kleidung
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