Unternehmensverantwortung

Das deutsche Lieferkettengesetz: endlich verabschiedet!

Deutsche Unternehmen müssen endlich Verantwortung übernehmen

11. Juni 2021

Lange hat es gedauert, jetzt ist es vollbracht! Der Bundestag hat am Freitag, 11. Juni 2021, das Lieferkettengesetz verabschiedet, für das die 125 Mitgliedsorganisationen der Initiative Lieferkettengesetz, lokale Initiativen und Privatpersonen so lange gekämpft haben. Mit dem „Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ müssen sich deutsche Unternehmen in Zukunft für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards bei ihren Lieferanten einsetzen.

Es wurde mit 412 Ja-Stimmen, 119 Ablehnungen und 59 Enthaltungen verabschiedet. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte in der Bundestagsdebatte, das Gesetz bedeute klare Standards für Unternehmen im Kampf gegen Ausbeutung. Für Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist es das Ergebnis von „Teamwork gegen extrem starkes Lobbying“ von Arbeitgeber- und Unternehmensverbänden.

Die Einordnung der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes

CIR-Referent Christian Wimberger dazu:

„Das heute verabschiedete Lieferkettengesetz ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt weg von unserer imperialen Lebensweise, die Menschen in anderen Ländern Ausbeutung und Umweltzerstörung zumutet. Es ist ein wichtiger Etappenerfolg für alle, die sich in ihren Initiativen und Gemeinden dafür stark gemacht haben! Und vor allem eine gute Nachricht für die Menschen, die in den Lieferketten deutscher Unternehmen arbeiten oder in Form von Umweltzerstörung von ihrer Produktion betroffen sind.

Teile der Union haben das Gesetz aber stark abgeschwächt. Deshalb bleibt noch ein langer Weg in Richtung einer solidarischeren Welt zu gehen. Die Sorgfaltspflichten müssen bis zur Rohstoffproduktion reichen und Geschädigte müssen Zugang zu deutschen Gerichten erhalten. Dafür werden wir uns in Deutschland und in der EU mit Blick auf die europäische Regulierung einsetzen.“

Ein langer, steiniger Weg

Das Lieferkettengesetz hat einen langen Weg hinter sich. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legten im Juli 2020 Eckpunkte für ein Gesetz vor, nachdem eine Unternehmensbefragung der Bundesregierung nachgewiesen hatte, dass viel zu wenige Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten freiwillig umsetzen. In der Folge verhandelten die beiden Minister monatelang mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der vor allem die Interessen der Wirtschaftslobby vertrat.

 

Die Vorlage eines abgeschwächten Regierungsentwurfs

Im März 2020 legten die drei Ministerien einen Regierungsentwurf vor, der gegenüber den Eckpunkten von Heil und Müller in zentralen Punkten abgeschwächt war und die Grundlage für die Debatte im Bundestag bildete:

  • Unternehmen müssen nur bei unmittelbaren Lieferanten präventiv menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken analysieren und wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen. Bei mittelbaren Lieferanten in der tieferen Lieferkette müssen sie diese Maßnahmen nur anlassbezogen ergreifen, d. h. wenn sie z. B. von Dritten konkrete Hinweise erhalten.
  • Der Entwurf enthält keine zivilrechtliche Haftungsregelung mehr, wodurch Geschädigte kein erleichterter Zugang zu deutschen Gerichten gewährt wird. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können aber betroffene Menschen vor deutschen Gerichten vertreten.
  • Das Lieferkettengesetz betrifft ab 2023 Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen und ab 2024 auch alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen. Heil und Müller setzten die Grenze ursprünglich bei 500 Mitarbeiter*innen.

 

Fehlende Haftungsregel widerspricht Zielsetzung der Bundesregierung

Als Teil der Initiative Lieferkettengesetz forderten wir die Bundestagsabgeordneten auf, die Mängel des Regierungsentwurfs zu beheben. Über 30.000 Menschen schickten die Protestmail „Lieferkettenbrief“ an ihre Abgeordneten. Auf Druck der Wirtschaftslobby haben sich viele Unions-Abgeordnete aber dafür eingesetzt, dass das Gesetz explizit neue zivilrechtliche Klagemöglichkeiten ausschließt. Diese Klarstellung widerspricht damit eigentlich der Zielsetzung der Bundesregierung, die laut Gesetzestext die Rechte der von Unternehmenstätigkeiten Betroffenen stärken will. Die Gegner*innen eines starken Lieferkettengesetzes haben letztlich substanzielle Nachbesserungen verhindert.

 

Kleine Korrekturen

Immerhin wurden drei kleine Verbesserungen umgesetzt: Das Gesetz wird jetzt nicht nur deutsche Unternehmen, sondern auch Niederlassungen ausländischer Unternehmen erfassen. Außerdem wurde in das Gesetz das Basler Abkommen aufgenommen, das die Kontrolle grenzüberschreitender Beförderung gefährlicher Abfälle vorsieht. Schließlich können Betriebsräte die Umsetzung der Sorgfaltspflichten durch ihre Unternehmen mitbestimmen.

Abschließende Einschätzung zur Verabschiedung des Lieferkettengesetzes

„Insgesamt bleibt unsere Einschätzung bestehen: Das Gesetz stellt einen Paradigmenwechsel dar, weist aber Schwächen an wichtigen Stellen auf! Wir werden uns dafür einsetzen, dass die EU, die aktuell an einer Regelung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten arbeitet, ein stärkeres Lieferkettengesetz verabschieden wird“, resümiert Christian Wimberger.

Nachdem das Europaparlament bereits im März einen ambitionierten Vorschlag für ein europaweites Lieferkettengesetz gemacht hat, wird demnächst die Europäische Kommission einen Entwurf vorlegen.

Das Motto der Initiative Lieferkettengesetz ist deshalb: „Noch nicht am Ziel, aber endlich am Start!“

Porträt von Christian Wimberger

Ich bin für Ihre Fragen da:

Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimbergernoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21