Unternehmensverantwortung

EU-Lieferkettengesetz im Parlament verabschiedet

Eine Errungenschaft vieler Engagierter: Menschenrechtsvorhaben nimmt nächste Hürde

Foto: Initiative Lieferkettengesetz (ILG)

Es ist ein beispielloser Erfolg für alle, die sich für eine gerechtere und nachhaltiger Weltwirtschaft einsetzen: Am 24. April hat das EU-Parlament in Straßburg das EU-Lieferkettengesetz mit einer deutlichen Mehrheit verabschiedet. 374 Abgeordnete stimmten für die Richtlinie, 235 dagegen und 19 enthielten sich.

Die Abstimmung fand an einem symbolträchtigen Tag statt: am Jahrestag der Rana-Plaza-Katastrophe in Bangladesch. Am 24. April 2013 stürzte die Textilfabrik Rana Plaza ein. 1.138 Arbeiter*innen verloren ihr Leben, mehr als 2.000 Menschen wurden verletzt. In der Fabrik ließen zahlreiche europäische Bekleidungsmarken ihre Produkte nähen, darunter Primark, KiK und C&A. Der Jahrestag war eine wichtige Mahnung an die Parlamentarier*innen, Unternehmen zu verpflichten, solche Katastrophen in ihren Lieferketten zu verhindern.

Handfeste Sorgfaltspflichten

Nun gibt es endlich eine gesetzliche Grundlage auf EU-Ebene, um Arbeiter*innen, indigene Völker und andere Betroffene, die unter Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Lieferketten europäischer Unternehmen leiden, zu schützen. Damit leitet die EU einen Paradigmenwechsel ein, der in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Einer der größten Wirtschaftsräume weltweit kehrt nun der freiwilligen Unternehmensverantwortung, die in vielen Fällen weitgehend wirkungslos war, den Rücken. Stattdessen schreibt das EU-Lieferkettengesetz Unternehmen nun handfeste Sorgfaltspflichten vor, die sich nicht nur innerhalb der EU, sondern in ihren gesamten globalen Lieferketten einhalten müssen.

Straßenaktion der CIR in Münster für ein starkes Lieferkettengesetz.
Foto: CIR

Als Romero Initiative (CIR) setzen wir uns seit Jahrzehnten für diesen Wandel ein, denn wir erfahren von unseren Partnerorganisationen im Globalen Süden immer wieder von Menschenrechtsverletzungen bei der Produktion von Bekleidung oder Spielzeug, in der Agrarindustrie oder beim Rohstoffabbau. 2019 schlossen sich über 100 Organisationen in der Initiative Lieferkettengesetz zusammen. Dieses schlagkräftige Bündnis erreichte mit der Verabschiedung des deutschen Lieferkettengesetzes 2021 einen wichtigen Etappenerfolg. Die Initiative Lieferkettengesetz ruhte sich darauf aber nicht aus und forderte in einem breiten europäischen Bündnis das EU-Lieferkettengesetz. Nun müssen Lieferkettengesetze in der gesamten EU umgesetzt werden.

All das wäre ohne das unnachgiebige Engagement lokaler Gruppen Initiativen sowie vieler Einzelpersonen, die sich vor Ort in ihren Städten für die Gesetze eingesetzt haben, nicht möglich gewesen. Wir möchten uns ganz herzlich bei allen bedanken, die die zahlreichen Petitionen und Eilaktionen unterzeichnet und gestreut haben, Straßenaktionen durchgeführt haben und Gespräche mit den Abgeordneten geführt haben! Insbesondere der Druck in den Wahlkreisen auf die Abgeordneten war für die Verabschiedung beider Gesetze zentral. So konnten auch viele konservative Politiker*innen umgestimmt werden, die sonst vor allem Gespräche mit Unternehmensverbänden führen. Nicht zuletzt hat die anhaltende Mobilisierung dafür gesorgt, dass das Gesetz in vielen kritischen Momenten verteidigt werden konnte.

Ein Paradigmenwechsel für Europa

Das EU-Lieferkettengesetz geht in einigen Punkten über das deutsche Gesetz hinaus. So müssen Unternehmen sowohl in Bezug auf ihre direkten Geschäftspartner als auch ihre indirekten Lieferanten wirksame Sorgfaltspflichten umsetzen. Haben z.B. Supermarkt-Ketten im deutschen Lieferkettengesetz noch eine schwächere Verantwortung für die Produktion von Rohstoffen wie z. B. Palmöl, wird die Abstufung zwischen direkten und indirekten Lieferanten in Zukunft entfallen. Ein Erfolg ist auch, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen EU-Unternehmen in Zukunft vor Gericht auf Schadensersatz verklagen können. Das ist im deutschen Gesetz noch nicht möglich.

Foto: Laila Sieber/Oxfam

Dennoch darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass das EU-Lieferkettengesetz auf den letzten Metern u.a. durch das Blockadeverhalten der FDP erheblich verwässert wurde. Der größte Rückschritt: Der Kompromiss im Dezember sah noch vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen sowie kleinere Unternehmen in Risikosektoren die Pflichten umsetzen müssen. Nun soll es nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen und einem Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro gelten. Das wird zur Folge haben, dass wesentlich weniger Menschen in den Lieferketten vor Ausbeutung, Gesundheitsschädigung, Landraub und Umweltzerstörung geschützt werden.

Nun muss das EU-Lieferkettengesetz nur noch vom Rat der Europäischen Union bestätigt werden, was als Formsache gilt. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. In diesem Zeitraum werden sowohl das deutsche Lieferkettengesetz als auch das EU-Gesetz starkem Gegenwind ausgesetzt sein. Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) hat bereits angekündigt, eine „Wirtschaftswende“ einleiten und Unternehmen vor unnötiger Bürokratie wie menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten befreien zu wollen. Auch von dem zunehmenden Rechtsdruck in Deutschland und in anderen EU-Ländern geht Gefahr aus.

Lieferkettengesetze machen einen Unterschied!

Bleiben Sie als lokale Initiativen wachsam und verhindern Sie, dass die gesetzlichen Rahmen für Menschenrechte und Umweltschutz in der Wirtschaft nicht abgeschwächt werden! Denn klar ist: Lieferkettengesetze machen einen Unterschied, wie unsere aktuelle Arbeit zum Thema Palmöl zeigt. Wir haben jetzt ein Instrument, um von Unternehmen einzufordern, dass sie der rücksichtslosen Ausbeutung von Mensch und Natur durch Palmölplantagen einen Riegel vorschieben.

Porträt von Christian Wimberger

Ich bin für Ihre Fragen da:

Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
wimbergernoSpam@ci-romero.de
Telefon: 0251 - 674413-21