Kleidung

Wie fair produzieren und handeln die EM-Sponsoren?

Adidas, Lidl und Engelbert Strauss unter der Lupe

Die globale Sportartikelindustrie hat ein Menschenrechtsproblem. Schon lange sind Menschenrechtsverletzungen in einer Branche an der Tagesordnung, die auf dem Rücken von schlecht bezahlten Arbeiter*innen in einkommensschwachen Ländern auf der ganzen Welt aufgebaut wurde. Von Hungerlöhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen bis hin zu Gewalt, Belästigung und der Unterdrückung von Gewerkschaften sind diese Menschen in Arbeitsarmut gefangen, während die Markenartikler Milliardengewinne einstreichen.

Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland soll in Sachen Nachhaltigkeit eine Vorbildrolle übernehmen. So hat es der Turnierdirektor und ehemalige Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, Philipp Lahm, von Anfang an betont. Wir haben uns – gemeinsam mit der Initiative Fairness United – die drei deutschen der sechs Hauptsponsoren der UEFA EM 2024 (Adidas, Lidl, Strauss) unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und der Einhaltung von Menschenrechten genauer angeschaut. Denn besonders vor sportlichen Großereignissen produzieren Näher*innen in Zulieferbetrieben von Sportartikelunternehmen und vielen anderen Firmen Millionen von Trikots, Schals, Fußbällen, Mützen, Fahnen – oft unter extremem Zeitdruck und für Hungerlöhne. Wie halten es Adidas, Lidl und Engelbert Strauss hier mit der Fairness?

Adidas ist nach Nike der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller und aktiver Sponsor unterschiedlichster Sportarten, auch der UEFA EURO 2024. Der von Adidas für dieses Turnier entwickelte offizielle Spielball heißt „Fußballliebe“.

Gründung: 1949
Unternehmensform: Aktiengesellschaft
Leitung: Bjørn Gulden (Vorstandsvorsitzender – CEO), Thomas Rabe (Aufsichtsratsvorsitzender)
Zahl der Angestellten (weltweit): 2022 59.258 gesamt, davon 8.556 bei der adidas AG, insgesamt 51.777 in Vollzeit
Unternehmensumsatz 2023: 21,427 Mrd. Euro
Unternehmensgewinn: –14 Mio. Euro
Zulieferer: 117 unabhängige Hersteller an 259 Produktionsstätten weltweit
Produktionsländer: Indonesien, Vietnam, China, Kambodscha, Pakistan, Türkei und „Sonstige“ – u.a. El Salvador

AdidasHauptquartier in Herzogenaurach mit großem Fußball-Monument davor auf einer Wiese

Foto: Avda, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Adidas reklamiert für sich, dass seine Zahlungen an die Lieferbetriebe die gesetzlichen Mindestlöhne und Sozialleistungen abdecken. Hört sich erstmal gut an. Allerdings liegen existenzsichernde Löhne in einigen Ländern zwei- bis fünfmal höher. Das heißt, Mindestlöhne schützen nicht vor Armut. Im Gegenteil. Näher*innen – auch von Adidas – müssen weiterhin hungern, haben keinen Zugang zu menschenwürdigem Wohnen, zu Gesundheitsversorgung und zu Bildung. Abhilfe wäre möglich: Die Näher*innen bekommen gerade mal 1 Prozent vom Verkaufswert des Nationaltrikots, Adidas selbst streicht fast 29 Prozent ein.

Das Recht auf existenzsichernden Lohn wurde von den Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannt, wird aber in den globalen Produktionslieferketten nicht respektiert. Öffentliche Erklärungen oder gar konkrete Empfehlungen und Maßnahmen in dieser Richtung seitens des Unternehmens Adidas sucht man seit vielen Jahren vergebens.
Fairness? Fehlanzeige!

Lidl ist offizieller Partner der UEFA EURO 2024 und des europäischen Qualifikationswettbewerbs zur EM-Endrunde 2024. Außerdem war das Unternehmen mit Abstand größter Sponsor der Handball-EM 2024.

Gründung: in den 1930er-Jahren, erste Filiale für Lebensmittel 1973
Zahl der Filialen: 12.200 Filialen in derzeit 31 Ländern, 3.250 Filialen in Deutschland
Zahl der Angestellten (Vollzeit): 360.000 weltweit (2022), 100.000 in Deutschland
Unternehmensform: GmbH & Co. KG als Teil der Schwarz-Gruppe (Konzernchef Gerd Chrzanowski), einem unübersichtlichen Imperium, teilweise als Konglomerat organisiert, teilweise als Stiftung
Unternehmensumsatz: 114,8 Mrd. Euro weltweit, 30 Mrd. Euro in Deutschland
Unternehmensgewinn: 2,1 Mrd. Euro (2021/2022) geschätzt, weil nicht veröffentlicht
Zulieferer: 600 (Textilien, Schuhe), keine weiteren Angaben
Produktionsländer: keine Angaben

Seit 2006 gibt es die Eigenmarke Fairglobe. Nach 18 Jahren umfasst das Sortiment Fairtrade-zertifizierter Artikel bei Lidl heute allerdings lediglich gut 30 Produkte. Zu den rund 400 Produkten der Eigenmarke Bio-Organic kommen weitere 100 von Bioland-Betrieben. Seit Ende 2022 sollen 100 % aller verkauften Textilien gemäß CmiA-Siegel nachhaltig sein.

Das klingt alles sehr gut – doch sind mit diesen Maßnahmen auch Lieferant*innen und Mitarbeiter*innen von Lidl geschützt? Die Frage zum Beispiel, warum Textilien noch bis 2025 in Myanmar produziert werden, einem Land mit einer brutalen Militärdiktatur, hat Lidl unbeantwortet gelassen.

Auch in Deutschland steht der Schutz des Arbeitsrechtes bei Lidl nicht im Mittelpunkt. Mit der verschachtelten Struktur von 300 Einzelunternehmen können Publizitätspflichten umgangen, Mitspracherechte der Arbeitnehmer*innen unterlaufen und die Gründung eines Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrats erschwert oder verhindert werden. In den letzten Jahren gab es immer wieder massive Arbeitsrechtsverletzungen (systematische Überwachungen oder die unerlaubte Führung von Krankenakten) – und nach der öffentlichen Kritik das Versprechen der Besserung. Dennoch berichtete ein ehemaliger Mitarbeiter 2023 im „Business Insider“ von einem kaum leistbaren Arbeitspensum im Discounter und einer (von Lidl bestrittenen) Scan-Vorgabe von 40 Artikeln pro Minute an der Kasse.

Fairness? Fehlanzeige!

Engelbert Strauss (STRAUSS) ist offizieller Partner der UEFA EURO 2024 in Deutschland, darüber hinaus Sponsor im nationalen und internationalen Fußball sowie in vielen anderen Sportarten und Bereichen.

Gründung: 1948
Unternehmensleitung: Norbert, Steffen und Henning Strauss
Zahl der Angestellten: 1.700, ein Großteil davon in Deutschland
Unternehmensform: GmbH & Co. KG (Familienunternehmen)
Unternehmensumsatz: ca. 1 Mrd. Euro (2022)
Unternehmensgewinn: keine Angaben
Produktionsländer: 28 Länder, darunter Deutschland (1%); Hauptländer: Bangladesch, China, Vietnam, Laos
Produktionsanteile nach Kontinent: Asien: 88 %, Europa: 10 %, Afrika: 2 %

Engelbert Strauss (Markenname: STRAUSS) ist ein Familienunternehmen, das ursprünglich nur Arbeitskleidung hergestellt und verkauft hat. Mittlerweile gehören außerdem Corporate Fashion, Schutzbekleidung, Schuhe, Textilien, Werkzeuge und Büroartikel zum Sortiment. 10 bis 15 % des Gesamtumsatzes macht STRAUSS mit der „öffentlichen Hand“, also mit Kommunen, Ländern und dem Bund.

STRAUSS hat einen eigenen Verhaltenskodex veröffentlicht und berichtet über die Maßnahmen und Standards, die Struktur der Zulieferkette, die Produktionsländer und Produktionsstätten. Die Berichterstattung ist vergleichsweise transparent. Seit 2016 ist das Unternehmen u.a. Mitglied der FAIR WEAR Foundation; dadurch gibt es regelmäßig ausführliche Berichte zu den Produktionsbedingungen. Für 2023 wird STRAUSS hier in der Kategorie „gut“ geführt. Das Unternehmen lässt seit 2015 in einer Fabrik in Myanmar fertigen. Trotz Militärdiktatur und schwierigen Rahmenbedingungen hat sich Strauss entschieden die Produktion in dem Land aufrechtzuerhalten. Maßnahmen, die das Unternehmen in dem Land zur Einhaltung von Standards unternimmt, sind in dem Sozialbericht dokumentiert.

STRAUSS formuliert vorbildliche Ziele. Dazu gehören eine transparente Einkaufspolitik, eine integrierte Einkaufsstrategie sowie eine Preisgestaltung, die auch die Zahlung existenzsichernder Löhne wirklich ermöglichen. Solche Ziele zu formulieren ist gut, aber sie müssen auch stringent umgesetzt werden. Gerade in punkto existenzsichernde Löhne müsste sich STRAUSS mehr engagieren. Es ist also durchaus noch Luft nach oben; im Vergleich zu den anderen Sponsoren der EM steht STRAUSS aber besser da.

Fairness? Zumindest bedingt vorhanden.

Foto: Udo Herrmann

Wir fordern: Fairplay auch für Arbeiter*innen! Die Sportartikelindustrie muss existenzsichernde Löhne sicherstellen und Arbeitsrechte respektieren. Mehr zu den Zusammenhängen zwischen Sport-Großereignissen und Menschenrechten lesen Sie hier.

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Porträt von Sandra Dusch Silva

Ich bin für Ihre Fragen da:

Sandra Dusch Silva
Referentin für nachhaltige Lieferketten und Kleidung
duschnoSpam@ci-romero.de
Telefon: 030 – 41723800