Guatemala

Der linke Korruptionsbekämpfer Bernardo Arévalo ist neuer Präsident

Monatelang hat die indigene Bevölkerung Guatemalas den Wahlsieg des linken Präsidentschaftskandidaten Bernardo Arévalo gegen die Attacken der korrupten Elite verteidigt. Nur dank dieser Unterstützung konnte er das Amt im Januar antreten. In seinen Kampf für eine demokratische Gesellschaft muss er jetzt unbedingt die Zivilgesellschaft einbeziehen.

Arévalo und sein Kabinett bei der Vereidigung,

Das Kabinett Arévalo bildet die neue Regierung in Guatemala. Foto: Gobierno de Guatemala/Wikimedia.

Es sind Worte, die man vor einem Jahr nie vom neu gewählten Staatsoberhaupt Guatemalas erwartet hätte: „Heute schreiben wir als Nation Geschichte. Dafür haben wir einen Plan. Es kann keine Demokratie ohne soziale Gerechtigkeit gebe. Und die soziale Gerechtigkeit kann sich nicht ohne Demokratie durchsetzen“, sagte der neue linke Präsident Guatemalas Bernardo Arévalo bei seiner Amtsvereidigung am 14. Januar vor einer begeisterten Menschenmenge. Zuvor hatten rechte Kongressabgeordnete die Zeremonie um neun Stunden verzögert. Eine gezielte Provokation, die eine Ahnung von den Widerständen gegen Arévalo und den vor ihm liegenden Herausforderungen vermittelt.

Guatemala war auf dem Weg in eine korrupte Autokratie

Als wir im Januar 2023 unsere guatemaltekischen Partnerorganisationen besuchten, hatten sie keine Hoffnung, dass die anstehenden Wahlen das Land zum Positiven verändern könnten. Der sogenannte „Pakt der Korrupten“ – ein Netzwerk aus rechten Politiker*innen, Militärs und Unternehmen mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität – hatte die Staatsanwaltschaft und die hohen Gerichte fest im Griff. Zahlreiche kritische Justizbeamt*innen wurden ins Exil getrieben oder inhaftiert. Die Regierung des rechtskonservativen Präsidenten Alejandro Giammattei und die Staatsanwaltschaft folgten dem Vorbild vieler autoritärer Regierungen weltweit und versuchten, durch die Kontrolle der Institutionen die Demokratie auszuhöhlen und einen Machtwechsel zu verhindern. Bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahl hatte das Wahlgericht mehrere progressive Kandidat*innen ausgeschlossen.

Arévalo und seine Anti-Korruptionspartei „Movimiento Semilla“ (Bewegung Samenkorn) befanden sich aber nicht auf dem Radar der Demokratiegegner*innen. Überraschenderweise belegte der studierte Soziologe im ersten Wahlgang den zweiten Platz. Danach trat er eine Welle der Euphorie los, die in seinem Sieg beim zweiten Wahlgang im August gipfelte. Doch die Generalstaatsanwältin Consuelo Porras wollte diesen Sensationserfolg nicht akzeptieren und ließ der Partei die Rechtsperson entziehen. Dem Versuch der Staatsanwaltschaft, das Wahlergebnis ganz zu annullieren, schob letztlich das Verfassungsgericht einen Riegel vor. Ohne Druck aus den USA, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wäre diese Rettung des Wahlergebnisses nicht möglich gewesen.

Indigene verteidigen die Demokratie

Noch wichtiger war allerdings die historisch einmalige Mobilisierung der indigenen Bevölkerung gegen den Staatsstreich in Zeitlupe. War der Wahlsieg zunächst der Erfolg einer Partei der urbanen Mittelschicht, organisierten sich ab dem Herbst indigene Organisationen aus den Provinzen, um den Rücktritt der Generalstaatsanwältin zu fordern. Sie errichteten im ganzen Land über 150 Straßensperren, mit denen sie fast den gesamten Oktober lang den Verkehr weitgehend lahmlegten. Die indigenen Völker der Maya, Xinka und Garífuna sind in großen Teilen nicht mehr bereit, die seit der Kolonialzeit bestehende Unterdrückung durch die weiße Oberschicht hinzunehmen. „Sie rauben uns unser Land, unser geistiges Eigentum und jetzt auch unsere Stimmen in den Wahlen“, empörte sich Milvian Aspuac von der CIR-Partnerorganisation AFEDES bei einer Kundgebung vor der Staatsanwaltschaft. Für die indigene Bevölkerungsmehrheit ist der von Arévalo in seiner Antrittsrede erwähnte Zusammenhang zwischen Demokratie und sozialer Gerechtigkeit von enormer Bedeutung. Sie sind der Ansicht, dass die Regierung es ihnen schuldig ist, sie an der Staatsführung zu beteiligen. Doch das von Arévalo vorgestellte Kabinett war für sie enttäuschend: Von vierzehn Minister*innen ist nur die Arbeitsministerin Miriam Roquel indigen.

Ohne Zivilgesellschaft kein Wandel

Die Probleme des Landes sind enorm: Korruption, Stillstand bei der Armutsbekämpfung, eine skandalöse Unterernährungsrate bei Kindern, Landkonflikte und Umweltzerstörung. Sie anzugehen, wird für die Regierung eine Mammutsaufgabe. Denn viele Institutionen werden weiterhin unter der Kontrolle des „Pakts der Korrupten” stehen. Die 23 Abgeordneten von Semilla sehen sich im Kongress einer konservativen Mehrheit gegenüber. Zudem werden rechte Netzwerke nicht aufhören, die Regierung mithilfe von Verschwörungstheorien zu diffamieren. Ohne die Einbeziehung der Zivilgesellschaft wird es die neue Regierung nicht schaffen, ihre Ziele zu erreichen.

Weite Teile der Zivilgesellschaft sind sich über die Herausforderung im Klaren. Es macht sich dennoch vorsichtiger Optimismus breit, z. B. bei der CIR-Partnerorganisation Colectivo Madre Selva, die u.a. gegen die Umweltzerstörung durch Palmölplantagen und Bergbauprojekte kämpft: „Wir haben jetzt eine wirklich demokratische Regierung, die uns an das Leben und die Hoffnung glauben lässt. Es gibt ein neues Szenario für bürgerschaftliches Engagement und Zusammenarbeit mit der Präsidentschaft und den Ministerien!“ Deutschland und die EU müssen den fragilen Demokratisierungsprozess jetzt weiterhin unterstützen, z.B. durch Politikberatung, Sanktionierung von Demokratiegegner*innen und Förderung der Zivilgesellschaft.

Porträt von Christian Wimberger

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Christian Wimberger
Referent für Unternehmensverantwortung, Bergbau, öffentliche Beschaffung, Guatemala
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